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Nachtengel

Titel: Nachtengel
Autoren: Danuta Reah
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enthielt einige interessante Dateien, die bei einem flüchtigen ersten Blick verborgen geblieben waren. Hardcore-Pornografie, Fotos, die extreme Fesselungen zeigten. Es gab auch eine Serie bearbeiteter Bilder von Gemma, die zu einer Art Geschichte montiert waren. Es ging los mit dem Bild, auf dem sie gefesselt auf dem Bett lag, die Arme über dem Kopf, dann eine Serie kalkulierter Sadismus-Szenen, und es endete mit dem Bild ihrer Leiche in der Badewanne. Es gab den Anfang einer ähnlichen Reihe für Roz Bishop, die mit einem Foto begann, auf dem sie schlafend, die Arme zur Seite gestreckt, auf dem Bett lag. Das Laken war zurückgezogen, die Brüste entblößt, und es ging weiter mit einer Serie von Bildern mit Luke Hagan auf dem gleichen Bett. Lynne fragte sich, was Lewis als letztes Bild geplant hatte.
    Matthew Pearse war immer nett und entgegenkommend. Er war ein vorbildlicher Insasse des Untersuchungsgefängnisses und nutzte den Hofgang, um andere Gefangene zu beraten, bei einigen Gelegenheiten auch die Angestellten. Er sagte Farnham, was er über Anna wusste und über ihre Angst vor einem Mann, der ›Angel‹ hieß. Pearse erzählte ihm, dass Anna glaubte, Angels Freund getötet zu haben, er schilderte ihre Flucht zur Beratungsstelle und wie er ihr geholfen hatte. Und er berichtete, dass zwei Wochen, nachdem er für sie ein Zimmer und Arbeit in einem Hotel gefunden hatte, jemand anderes nach Anna gesucht hatte. Ein junger Mann mit hellen Haaren, in den Zwanzigern. »Er hatte einen Schnitt im Gesicht«, sagte Pearse. »Hier.« Er zeigte auf seine eigene Augenbraue. »Ich wusste damals nichts von Annas Schwierigkeiten, aber ich half ihm nicht.«
    Er machte sich Sorgen, erklärte Pearse ihnen, als er denselben Mann zwei Wochen später in der Nähe des Blenheim Hotels sah. Pearse hatte unauffällig auf Anna aufgepasst, aber als die Zeit verging und nichts passierte, dachte er, dass der Mann wohl nichts Schlimmes im Sinn hatte, und ließ es auf sich beruhen. »Es war sicherer, wenn ich keinen Kontakt mit Anna hatte«, sagte er. Farnham zeigte ihm ein Foto von Sean Lewis. Pearse nickte. »Das ist der Mann«, sagte er.
    Lynne erinnerte sich an den Eifer, mit dem Sean Lewis die Ermittlung auf den Namen Angel Escorts gelenkt hatte. Jetzt behauptete er, der Name sei erfunden, aber laut Pearse war Anna vor einem Mann geflohen, der Angel hieß. Wenn dies Lewis irgendwie zu Ohren gekommen war, dann bedeutete die Tatsache, dass die Leiche Gemmas in dem Hotel abgelegt wurde, wo Anna arbeitete, und die Geschäftskarte … vielleicht, dass er damit gerechnet hatte, dass Anna den Namen sofort erkennen und der Polizei mitteilen würde, sobald die Leiche gefunden und gemeldet war. Sie wäre vielleicht in der Lage gewesen, die Polizei zu Angel Escorts zu führen, und die Polizei hätte ein Unternehmen zerschlagen, das vermutlich eine starke Konkurrenz für die Agentur war, die Holbrook und Lewis gemeinsam aufbauen wollten – wie sehr Lewis das auch abstreiten mochte. Aber Annas große Angst vor Angel und der Polizei hatte sie die Spuren verwischen und fliehen lassen. Wie so viele von Lewis' Plänen war auch dieser oberschlau und zu kompliziert gewesen und war schief gegangen.
    Eine Sache blieb Lynne ein Rätsel. Lewis tauchte Monate, bevor Oksana starb, auf, um nach Anna zu suchen. Lange bevor Gemma in Holbrooks Archiv herumstöberte und in gefährliche Nähe zur Identifizierung Oksana Ilbekows und also auch der Leute kam, die sie entführt hatten. Warum hatte Lewis Anna gesucht? Ein Rätsel. Lynne schob es beiseite, um sich später damit zu beschäftigen.
    Anna Krleza, eine stille Frau, schwieg in der Abschiebehaft beharrlich. Ihr Status als Flüchtling war zweifelhaft. Der Aufenthaltsort ihrer Familie wurde bei Nachforschungen in einem Dorf im Kosovo gefunden. Ihr Vater war Albanier, ihre Mutter Roma. Die Familie war während der Wirren der NATO-Aktion verschwunden. Niemand wusste oder war bereit zu sagen, was aus ihnen geworden war, aber das Haus war niedergebrannt und die Wände mit Parolen gegen Zigeuner und Hexen beschmiert. Ein Argument der Einwanderungsbehörde und des Innenministeriums war, sie übertreibe, damit man ihr erlaube, in einem Land zu bleiben, das sie immerhin illegal betreten hätte. Sie war Roma, und es gab eine riesige Antragswelle von Scheinasylanten, von Zigeunern, die behaupteten, sie würden verfolgt. Ihrer Familie ginge es wahrscheinlich gut, solche Leute seien ja nicht sesshaft. Anna Krleza sollte in
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