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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
Autoren: Kester Schlenz
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jede meiner Bewegungen wie eine Raubkatze. Mein Mund war trocken. Ich hatte Angst. Dann hörte ich Vars heisere Stimme. Sie sah Gregor an. »So gibt es dich also wirklich noch«, sagte sie mit ihrer heiseren Stimme. »Ich habe geglaubt, du seist längst tot. Eine uralte Legende.«
    Gregors Körper straffte sich.
    »Ja, Var. Es gibt mich. Ich habe lange durchgehalten. Jetzt kommt, was kommen mu sste. Ich will nicht mehr allein sein. Dann lieber sterben. Ich habe nicht darum gebeten, erschaffen zu werden. Es war jemand wie du. Gunda, eine Oberin, die mich mit anderen Vampiren zu der Zeit zeugte, als sich die Schwestern in diesem Gebiet der Welt aufteilten. Ich war Gundas menschlicher Bruder. Sie sah mich altern. Sie wollte mich nicht sterben lassen. Also verstieß sie gegen das Gesetz und verdammte mich zu einem Leben in ewiger Einsamkeit. Sie zeugte mich, schrieb mir auf, was ich nach ihrer Meinung wissen musste, und brachte mich weit fort von ihr. Als Gunda verraten wurde, war die Jagd eröffnet. Aber ich lernte schnell, als Ausgestoßener zu leben. Ich habe keine Angst vor dem Ende. Ich werde auch nicht kämpfen. Tut, was ihr glaubt, tun zu müssen.«
    Var schwieg. Sie drehte den Kopf und sah mich an. Plötzlich spürte ich Unruhe hinter uns. Zwei junge Vampirinnen hatten Linda aus dem Auto geholt und in den Kreis gelegt. Sie war noch immer nicht ganz Herr ihrer Sinne und konnte sich kaum auf den Beinen halten, als die beiden Schwestern sie schließlich losließen.
    Dinah trat vor, und ehe ich auch nur reagieren konnte, war sie schon bei Linda, ließ ihre Hand nach vorn schnellen und brach ihr mit einem gewaltigen Hieb das Genick. Linda war tot, bevor ihr Körper den Boden berührte.
    In meinem Kopf schien etwas zu explodieren. Ha ss, reiner, purer Hass packte mich mit unglaublicher Gewalt, und ich stürzte mich schreiend auf Dinah. Die Schwestern stoben entsetzt auseinander, als wir beide zu Boden gingen. Ich schlug auf Dinah ein. Kreischend und irrsinnig vor Wut über den Mord an Linda. Ich wollte sie zerstören, zerfetzen, aus der Welt tilgen. Wir prügelten wie wahnsinnig aufeinander ein. Knochen brachen. Haut platzte. Kein Mensch hätte auch nur einen dieser Schläge überlebt.
    Schließlich stieß mich Dinah mit gewaltiger Kraftanstrengung von sich und verschaffte sich so für einen kurzen Augenblick Luft. Ihr Gesicht war vor Entsetzen verzerrt. Sie blutete aus zahlreichen Wunden, die ich ihr mit meinen Fingernägeln gerissen hatte. Eines ihrer Ohren hing nur noch an ein paar Hautfetzen. Ich wollte mich wieder auf sie stürzen, aber plötzlich geschah etwas sehr Sonderbares.
    Dinah drehte sich mit wutverzerrtem Gesicht zu Var um und schrie: »Wie kann das sein? Niemand in ihrem Alter kann so stark sein. Ich hätte sie wie eine Fliege zerquetschen müssen. Was hast du getan, Var?«
    Die Oberin straffte sich.
    »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, Dinah. Noch habe ich das Sagen. Schweig jetzt.«
    »Du hast ihr dein Blut gegeben!« schrie Dinah. »In deinem Gemach. Ich habe es geahnt. Mein Vorrecht. Mein Privileg. Du hast nicht mehr verdient zu herrschen, Var. Du bist alt. Und du bist schwach geworden, weil sie deiner dummen, kleinen Menschentochter ähnlich sieht. Ich werde…«
    Weiter kam Dinah nicht. Ihre Stimme brach.
    Var schien sich kaum bewegt zu haben. Ihr Gesicht war wutverzerrt. Sie stand auf einmal dicht vor Dinah. Ihr rechter Arm war bis zum Ellbogen in Dinahs Körper eingedrungen.
    »Niemand«, zischte sie. »Niemand spricht so mit mir. Auch du nicht, Dinah.«
    Mit einem gewaltigen Ruck zog Var ihren Arm wieder hervor. In ihrer Hand hielt sie Dinahs Herz. Einen blutigen Klumpen Fleisch. Die anderen Schwestern schrien entsetzt auf. Dinah brach, ohne einen Laut von sich zu geben, zusammen. Ihr Körper zuckte noch einmal und fiel dann in Sekunden zu einer formlosen Masse zusammen. Nach ein paar Augenblicken war nichts mehr von ihr zu erkennen. Die Vampirin hatte sich buchstäblich aufgelöst.
    Var stand lange Zeit einfach nur da und starrte zu Boden. Dann hob sie den Kopf, sah uns alle an und ließ ihren Blick schließlich auf mir ruhen: »Nun, Ludmilla, was soll jetzt geschehen? Alles bricht zusammen. Was Jahrhunderte galt, gilt nicht mehr. Dort steht ein männlicher Vampir. Du wolltest einen weiteren erschaffen. Dinah war im Begriff, die Hand gegen mich zu erheben. Was geschieht mit uns?«
    Blutige Tränen schossen aus ihren Augen. Die anderen Schwestern blickten sie angsterfüllt an. Sie
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