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1661 - Der Torwächter

1661 - Der Torwächter

Titel: 1661 - Der Torwächter
Autoren: Jason Dark
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Blaine stand am Rande des Dorfs. Von hier aus glitt sein Blick über ein winterliches Feld, auf dem der Schnee noch nicht völlig verschwunden war. Das Stück Land sah aus, als wäre es mit schwarzen und weißen Flecken betupft worden. Tauwetter war angesagt. Bei den Massen an Schnee, die gefallen waren, würde es noch Tage dauern, bis die letzten Schneereste verschwunden waren. Hinter dem Feld begann Wald. Der Wald.
    Das Tor zu einem anderen Reich, sagte man. Und die Menschen hier hatten sich daran gehalten. Das andere Reich war etwas völlig anderes, obwohl man nichts Ungewöhnliches sah, wenn man einen Blick auf den Wald warf. Dicht zusammenstehende Bäume, Unterholz und das weißgrau gewordene Leichentuch des noch nicht ganz getauten Schnees.
    Blaine wusste, dass es nicht recht war, was er und Husby taten. Aber wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter, sagte er sich, und so würden sie das tun, was schon öfter getan worden war. Nicht bei jedem Toten, nur bei bestimmten, und niemand hatte auch mehr nach ihnen gefragt. Das würde an diesem Tag nicht anders sein.
    Er warf die Kippe weg und schaute zu, wie die Glut verlosch. Wegen der Kälte fröstelte er nicht, sondern wegen seines Vorhabens. Es kostete ihn stets Überwindung, das Gebiet zu betreten, in dem das Unheimliche und Dämonische normal war und wo der Torwächter alles im Bück hatte.
    Es war still an diesem Tag, der bald in den Abend übergehen würde. Noch war es hell und ruhig, denn aus dem Ort war nichts zu hören. Alle, die dort wohnten, verhielten sich still. Sie blieben jetzt in den Häusern. Sie Verschlossen ihre Türen und auch die Fenster, um den Schrecken draußen zu halten. Und doch wurde die Stille zerstört. Nicht durch einen menschlichen Laut, es war ein Quietschen, das an die Ohren des wartenden Mannes drang. Die alte Achse der Karre musste mal geölt werden. Bisher hatte sich niemand darum gekümmert. Blaine drehte den Kopf. Er sah Husby über den Weg kommen. Die noch leere Karre zog er hinter sich her.
    »Alles klar?«
    Husby nickte.
    »Hast du noch mit jemandem gesprochen?«
    »Wie kommst du denn darauf? Die Leute sind froh, wenn sie in den Häusern bleiben können und nicht nach draußen müssen.«
    »Schon okay.«
    »Können wir?« Peter Blaine nickte. Es war genug gesprochen worden. Beide wussten, wo das Ziel lag. Ein schiefes kleines Steinhaus, ebenfalls am Ortsrand stehend, versehen mit einem Dach, auf dem nur noch die Hälfte der Schindeln lagen. In der Regel wurde der Bau als Lagerhaus benutzt. Hin und wieder musste man ihn zweckentfremden. Dort wurden dann die Toten aufgebahrt, die kein normales Begräbnis erhielten.
    Und heute war es mal wieder der Fall.
    Schweigend gingen sie auf das Haus zu. Der Boden war weich geworden, trotz der noch vorhandenen Schneereste. Schon bald klebte die feuchte Erde an ihren Stiefeln. Nur vor dem schiefen Bau war der Boden festgestampft worden. Sie schauten auf eine alte Tür, die so aussah, als würde sie den nächsten Sturm nicht überstehen. Sie war verschlössen. Ein normales Vorhängeschloss hing davor. Peter Blaine öffnete es.
    Sie mussten sich ducken, um das Haus zu betreten, das man eher als Hütte bezeichnen konnte.
    An der rechten Wand waren einige leere Kisten übereinandergestapelt. Um die kümmerten sich die Männer nicht. Sie wandten sich nach links, denn dort lag der Tote auf einem Tisch. Er war in zwei Decken gehüllt, sodass sie den Leichnam nicht mit den Händen berühren mussten.
    Phil Husby erreichte den Tisch zuerst. Er blieb daneben stehen und nickte der Gestalt zu, als er sagte: »Wird Zeit, dass mal wieder einer dran ist. Sonst wären wir noch an der Reihe.«
    »Stimmt.«
    Husby fasste die Leiche an den knochigen Schultern. Die waren selbst unter den beiden dicken Decken zu spüren. Blaine beschäftigte sich mit den Füßen. Er hob sie an, die Männer nickten sich zu, dann trugen sie den starren Körper zur Karre hin und legten ihn auf die Ladefläche. Sie mussten ihm die Beine einknicken, was Kraft erforderte, und sie glaubten sogar, ein leises Knacken zuhören. Wenig später waren sie zufrieden. Licht brauchten sie nicht. Sie hätten auch ihre Taschenlampen einschalten müssen, denn es gab hier keinen elektrischen Strom. Noch waren sie nicht fertig.
    Peter Blaine ging dorthin, wo die Kisten standen. An der Wand lehnten die Geräte, die sie benötigten. Es waren eine breite Schaufel und ein glänzender Spaten. Den legte Peter auf den Körper, bevor sich die beiden
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