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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
Autoren: Kester Schlenz
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verstummte. Ich spürte seine Aufregung. Auch mein Herz begann zu klopfen. Michael! Wir hatten die Macht! Ich würde ihn retten. Niemand konnte uns aufhalten. Ich stand auf.
    Eine Stimme, tief in mir, warnte mich. »Du darfst es nicht«, raunte sie leise. »Er würde es nicht wollen.«
    Ich zögerte kurz. »Was nicht wollen?« fragte eine andere Stimme. Sie war lauter und schneidender. »Was, Ludmilla, würde er nicht wollen? Mit dir für Jahrtausende zusammen zu sein? Würde er lieber sterben oder als Krüppel langsam krepieren? Was würde er wollen, Ludmilla? Michael ist ein Jäger, genau wie du. Nimm ihn dir und gib ihm das Kostbarste, was du hast. Dein Blut.«
    Und auf einmal gab es keine Zweifel mehr. Ich ging auf Gregor zu, breitete meine Arme aus und sagte: »Dann la ss es uns tun. Gib mir meinen Geliebten, und ich gebe dir einen Gefährten. Und dann gehen wir hier weg. Weit weg.«
    Gregor lachte, machte einen Schritt auf mich zu und umarmte mich. Wir verharrten so ein paar Sekunden.
    Ich drehte mich zu Pia um, wollte sie einbeziehen, ihr für ihre Hilfe und Verschwiegenheit danken. Doch der Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, war leer. Ich schrie auf. »Pia! Sie ist verschwunden.«
    Gregor zuckte zusammen, rannte hinaus aus dem Raum und hastete die Treppe hinauf. Ich lief hinterher.
    Aber wir fanden Pia nicht. Die Haustür stand offen. Wir hörten noch das Motorengeräusch ihres Wagens.
    »Sie wird uns verraten, Ludmilla«, sagte Gregor. »Sie ist eine Spielerin. Sie hat erfahren, was sie wissen wollte, und jetzt kehrt sie zurück auf die sichere Seite. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Es ist Vollmond. Es mu ss noch heute Nacht geschehen. Vielleicht haben wir noch eine Chance.«

34 - MICHAEL
    Wir machten uns sofort auf den Weg in die Klinik, in der Michael lag. Wenn wir jetzt nicht handelten, würde Michael mit großer Sicherheit sterben. Und ich würde mit dieser Schuld leben müssen. Ich musste es einfach tun. Alles andere in meinem Denken hatte ich ausgeblendet. Jeden einzelnen der vielen Gründe, die dagegen sprachen.
    Gregor hatte vor seinem Haus ein Taxi angehalten, den Fahrer niedergeschlagen, und dann waren wir losgerast. Mit Hilfe einer Karte, die im Taxi lag, prägten wir uns den genauen Weg zum Felsen des Vlad ein. Unser Plan war einfach. Ich wollte mir, als Krankenschwester getarnt, Zugang zu Michaels Station verschaffen, ihn auf eine Trage legen, das Haus verlassen und ihn dann in das Taxi schaffen. Gregor sollte im Wagen warten. Seine Erscheinung war einfach zu auffällig. Auf dem Weg ins Krankenhaus fiel mir plötzlich Linda ein. Ich hatte meine alte Freundin in der Aufregung völlig vergessen. Sie war in Lebensgefahr. Die anderen würden sie töten. Es gab nur eine Möglichkeit. Wir mu ssten sie mitnehmen und ihr irgendwie die Flucht ermöglichen. Gregor war dagegen, gab zu bedenken, wie wenig Zeit uns blieb, was für Angst Linda ausstehen würde, was sie mitanzusehen hätte. Aber ich bestand darauf, zu ihr zu fahren. Als Linda nach quälend langer Zeit auf mein Klingeln nicht öffnete, brach ich schließlich die Tür auf – und sah sie auf ihrem Bett liegen. Mein Gott! Die anderen – sie waren schon dagewesen.
    Aber plötzlich bewegte sich Linda und murmelte irgend etwas. Und dann sah ich die Flaschen neben ihrem Bett. Sie war total betrunken!
    Ich packte sie, hob sie hoch, ignorierte ihre gelallten Proteste und schob sie nach hinten ins Auto. Sie schlief sofort wieder ein, als wir losfuhren.
    Nach zehn Minuten hielten wir vor dem Krankenhaus, und ich stieg aus.
Der Weg ins Gebäude hinein war kein Problem. Schließlich besuchten viele berufstätige Menschen nach Feierabend noch ihre Angehörigen. Dann aber begannen die Schwierigkeiten. Die Intensivstation, auf der Michael lag, war im Kellergeschoß untergebracht, wo sich auch die Operationsräume befanden und die Unfallwagen anfuhren. Auf den Gängen herrschte hektisches Treiben. Ich schlich mich hinunter und versteckte mich in einem kleinen Raum, auf dessen Tür »Pflege- und Arbeitsraum« stand. Er war dunkel und enthielt zahlreiche Utensilien für die Versorgung der Patienten sowie die Arbeitskleidung der Ärzte und Schwestern. Außerdem standen darin zwei Rollstühle. Ich zog zur Sicherheit einen weißen Kittel über, öffnete die Tür einen Spalt und wartete. Gleich gegenüber lag die Intensivstation.
    Aus Gesprächen zwischen Besuchern und Klinikpersonal, die ich mithörte, wurde schnell klar, da ss jeder, der in diesen Bereich
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