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Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin

Titel: Nachtblau - Tagebuch einer Vampirin
Autoren: Kester Schlenz
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spürten, da ss etwas Ungeheures geschah. Var hatte ihre Nachfolgerin getötet und schien plötzlich nur noch ein Schatten ihrer selbst zu sein.
    »Var. Ich flehe dich an. Beende das Töten«, sagte ich. »Auch Gesetze können sich ändern. La ss es zu, dass Gregor existiert. Lass es zu, dass wir Michael zu einem der unseren machen. Wir können weiter existieren. Das Geheimnis wird gewahrt bleiben.«
    Var schüttelte den Kopf.
    »Ich kann die Gesetze nicht brechen. Nicht nach all den Jahren. Ich habe meine Nachfolgerin getötet. Ich kann nicht mehr über diesen Orden herrschen und will es auch nicht. Solveigh hat die Macht nie gewollt. Dinah war schlecht, aber stark. Auch du bist stark, mein Kind. Das Gesetz will, dass die Stärkste unter uns herrscht. Du, Ludmilla, bist die Stärkste, wenn ich gehe. Und ich werde gehen und den Tod suchen. Noch heute Nacht. Und dann sollst du meine Last, meine Bürde tragen. Du, Ludmilla, meine Tochter. Solveigh wird dir helfen zu verstehen.«
    Dann drehte sie sich um und stieg langsam den Hügel hinab. Wir alle blickten ihr gebannt hinterher und sahen, wie ihre hochgewachsene Gestalt langsam in der Dunkelheit verschwand.
    Niemand von uns hat sie jemals wiedergesehen.
    Die »Dunklen Schwestern« sahen Gregor und mich schweigend an. Ohne eine Führung, ohne Vars und Dinahs Autorität schienen sie auf einmal vollkommen hilflos.
    Ich warf einen letzten, verzweifelten Blick auf Lindas Leiche und hob Michael auf. »Jetzt«, dachte ich nur. »Tu es jetzt!«
    Dann trat ich mit ihm in den Lichthof zwischen den Felsen. Gregor folgte mir.
    Die Energie traf mich wie ein Schlag. Alles in mir vibrierte. Ich ging in die Knie und ließ Michael vor mir in den Staub fallen. Auch Gregor brach zusammen. Bewegungslos kauerte ich inmitten eines Feldes von ungeheurer Kraft und war ein paar Sekunden unfähig, mich zu bewegen. Dann endlich spürte ich, wie ich die Kontrolle über meinen Körper zurückgewann. Ich sah, wie Gregor sich langsam erhob und auf Michael deutete. Dann geschah alles, ohne dass ich willentlich handelte. Ich zog Michael zu mir heran, grub meine Zähne in seinen Hals und trank. Er starb – geschwächt wie er war – schnell und ohne einen Laut. Als ich seinen Tod spürte, war ich sofort wieder bei Sinnen und ließ seinen Körper entsetzt zu Boden fallen. Ich schrie. Laut, verzweifelt. Sein Blut rann mir am Kinn herunter und besudelte meine Kleider.
    Was hatte ich nur getan? Ihn aus den Händen seiner Ärzte zu reißen, um ihn hier in der Wildnis zu schlachten wie ein Lamm. Aber Gregor hob beschwichtigend die Hände. Fassungslos sah ich mit an, wie nun auch er das Blut meines toten Geliebten trank. Ich wollte mich schon auf ihn stürzen. Aber dann registrierte ich das Unglaubliche: Michael bewegte sich. Das blaue Licht umfing ihn wie ein Kraftfeld. Es pulsierte, dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen. Und Michael öffnete seinen Mund. Wie ein Verdurstender. Flehentlich, verzweifelt. Seine Augen waren geschlossen, aber seine Hände tasteten suchend auf dem Boden.
    Und ich hörte Gregors Worte wieder in meinem Gedächtnis:
    La sst wachsen aus dunklen Tiefen
    Mit Eurem Blut die alte Macht
    Zu neuem Leben.
    Nähret das Neue von Euch und gebäret!
    Ich kniete mich vor Michael hin, öffnete meine Jacke, riß die oberen Knöpfe meiner Bluse auf und ritzte mir mit einem Fingernagel die Haut unter meinem Brustbein auf. Blut quoll hervor. Und diesmal schloss sich die Wunde nicht. Michael wimmerte. Ich nahm seinen Kopf in meine Hände und zog ihn sanft an meine Brust. Und dann trank er. Wie ein Kind. Gierig und mit jedem Schluck zufriedener. Ich empfand ein ungeheures Glücksgefühl.
    Aber plötzlich spürte ich, welchen Preis ich dafür zu zahlen hatte. Mir wurde schwarz vor Augen. Eine bleierne Schwere befiel mich. Meine Kräfte schwanden. Doch Michael trank weiter. Ich erkannte, da ss er im Begriff war, mich zu töten. Aber ich reagierte nicht. Meine Empfindungen waren widersprüchlich. Endlich Ruhe finden, sterben als Nahrung meiner großen Liebe? Mit ihm, was immer die Zukunft auch bringen mochte?
    Dann trat Gregor heran und löste Michael mit sanfter Gewalt von mir. Ich fiel zu Boden, unfähig, mich zu bewegen, aber noch bei Bewu sstsein. Ich sah, wie Gregor sich eine Wunde in den Arm ritzte und Michael das Blut, das aus seiner Wunde schoss, trinken ließ. Er schluckte es in gierigen Zügen, bis Gregor ihn zurückstieß. Der Kreis hatte sich geschlossen. Das Licht um uns herum
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