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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische
Autoren: Marie Matisek
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Kollegen entzogen war, in der Fensterscheibe hinter ihr und Falk wusste demnach immer, ob Biggi gerade auf einer der von ihr favorisierten Websites war: Facebook oder eBay.
    Tatsächlich hatte Falk es binnen einer Woche ohne fremde Hilfe geschafft, sich in Maritas Job einzuarbeiten. Denn Marita hatte alles penibel geordnet, ihre Ablage, ihre Verteiler, ihre Kontakte und den Schriftverkehr – alles war picobello abgelegt. Und Falk hatte festgestellt: Diesen Job konnte er auf einer Arschbacke absitzen. Er kam also morgens um neun, arbeitete brav Maritas Agenda ab, erledigte Mail- und Telefonverkehr und war um elf Uhr reif für die erste Kaffeepause.
    In dieser Hinsicht zeigte sich die sonst so ruppige Biggi durchaus kooperativ, sie übernahm grundsätzlich alle Arbeiten, die mit der leiblichen Versorgung der gesamten Kurverwaltung zu tun hatten. Das lag daran, dass Biggi die hiesige Tupperware-Vertretung innehatte. Sie präsentierte also allwöchentlich stolz ihre neuen Produkte – und was wären diese ohne die gleichzeitige Demonstration, was man sinnvoll damit anfangen konnte. Ob rote Grütze, Kartoffelsalat oder Eistee – Biggi hatte für alles die richtige Plastikverpackung. Dank ihr hätte man eine fünfstöckige Erdbeertorte bei Windstärke sechs auf einem Krabbenkutter über die Nordsee aufs Festland befördern können – ohne dass die Torte auch nur eine Delle bekommen würde. Davon waren Biggi und all ihre weiblichen Adepten überzeugt.
    Und so barg jede Kaffee- und Mittagspause eine neue süß-salzige Überraschung. Die Kollegen, die seit Jahr und Tag von Biggi gemästet wurden, revanchierten sich bei ihr für den erhöhten Kücheneinsatz, indem sie ab und an schlechten Gewissens einige ihrer Plastikboxen kauften. Auch Falk hatte bereits einige äußerst praktische Produkte erstanden, von deren Unentbehrlichkeit Biggi ihn überzeugt hatte. Vor allem jedoch hatte Falk in den vier Wochen gefühlte fünf Kilo zugelegt. Aber, so beruhigte er sich, nur noch vier Wochen, bis Marita zurückkehrte, und weitere zwei Wochen bis zum Saisonbeginn. Dann würde er sein Sportprogramm wiederaufnehmen und von früh bis spät an der frischen Luft sein. Die Pfunde würde er ganz einfach in Muskelmasse umwandeln. Schließlich war er erst knackige neunundzwanzig, da hatte man gefälligst noch nicht mit Figurproblemen zu kämpfen.
    Ein Thema, das Jörn Krümmel, seines Zeichens deutlich über vierzig, offensichtlich nicht umtrieb. Denn der saß Falk nun gedankenverloren gegenüber, nippte an Biggis »Teechen« und knabberte dazu einen Schoko-Cookie nach dem anderen weg.
    Falk, der noch nicht ganz begriffen hatte, inwieweit die Falschmeldung über den Offshorepark vor Heisterhoog ihn betraf, entschloss sich, Jörn aus seiner Grübelei zu holen.
    Â»Wenn es eine Falschmeldung ist, müssen wir doch nur eine Gegendarstellung verfassen, an den großen Presseverteiler verschicken, und schon hat sich das Problem erledigt.«
    Aus dem Nebenzimmer ließ Biggi ein verächtliches Schnaufen vernehmen.
    Jörn legte den angeknabberten Cookie zur Seite, ganz so, als hätte er jetzt erst bemerkt, dass er die Kalorienmenge eines ganzen Tages in sich hineinstopfte, und sah Falk mitleidig an.
    Â»1996 lief der Tanker Sea Empress vor Wales auf Grund. Rund 70   000 Tonnen Öl flossen in die Nordsee. Wir hatten daraufhin fünfzehn Prozent Stornierungen in der Hauptsaison. Ein schwarzes Jahr für Heisterhoog.«
    Â»Aber«, hakte Falk verständnislos nach, »die Küste vor Wales, das hat doch mit uns nichts zu tun.«
    Â»Eben«, Jörn zog grimmig die Stirn in Falten, »das ist ja, was ich dir begreiflich machen möchte. Der Urlauber ist sensibel. Zumindest kurz vor den Ferien oder wenn er gebucht hat. Da reicht das Stichwort ›Öl in der Nordsee‹, und er fährt doch lieber in den Süden. Quallenplage, Robbensterben und jetzt eben Windpark – hat alles denselben Effekt.«
    Â»Aber im Jahr drauf hat er es doch wieder vergessen.« Falk fand, dass Jörn die Tragweite etwas übertrieb.
    Â»Das ist ein Jahr zu spät. Wir alle leben hier vom Tourismus. Die einen mehr, die anderen weniger. Für manch einen ist eine Einbuße von fünfzehn Prozent existenzbedrohend.«
    Falk dachte an Silke Söderbaum, die Töpferin, oder Fischbrat-Piet mit seinem Imbiss in
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