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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische
Autoren: Marie Matisek
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hatte nicht das nötige Kleingeld, um öfter nach Berlin zu pendeln, und Gina hatte dank des anstrengenden Jobs keine Zeit. Also telefonierten sie jeden Abend miteinander. Gina rief ihn an, kaum dass sie das hippe Büro in Berlin-Kreuzberg verlassen hatte. Da lag Falk oftmals schon im Bett. Aber er wusste, dass die abendlichen Telefonate mit ihm wichtig für den Aggressionsabbau waren. Denn Gina, aufstrebende und ehrgeizige Architektin, litt seit langem darunter, dass sie es mit Ende zwanzig noch nicht zu einer Festanstellung gebracht hatte. Letzten Sommer war sie kurz davor gewesen, doch dann hatte sich – nicht zuletzt wegen Falk – alles zerschlagen. Das gleiche Architekturbüro Jonkers & Jonkers engagierte sie nun immer wieder, für Wettbewerbe oder besondere Aufträge als Teamverstärkung. Schlecht bezahlt und ausgenutzt. Gina ärgerte sich völlig zu Recht, am meisten aber ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie sich nicht aus der künstlerischen Knechtschaft befreien konnte. Also ließ sie bei den fernmündlichen Gesprächen Berlin–Heisterhoog bei ihrem Freund Dampf ab und war am Ende des Telefonats wieder so besänftigt, dass sie den Kampf am nächsten Arbeitstag von neuem aufnehmen konnte.
    Insgeheim befand Falk allerdings, dass er seine Funktion als Klagemauer selbst verschuldet hatte. Er hatte im vergangenen Sommer tatsächlich ein Millionengeschäft ausgeschlagen und es vorgezogen, sein Dasein als mittelloser Strandkorbvermieter zu fristen. Als Millionär hätte er Gina einfach einen Antrag gemacht, sie finanziell unterstützt und ihr so einen Start in die Selbständigkeit ermöglicht. Stattdessen saß er auf Heisterhoog und lebte davon, dass der örtliche Immobilienhai und Bauunternehmer Hubsi von Boistern ihn ab und an als Hausmeister, Baugehilfe und Putzmann beschäftigte.
    Aber nun kam der Frühling, und Falk sah der kommenden Saison frohen Mutes entgegen. Er würde diesen Sommer in nur vier Monaten mit seiner Strandkorbvermietung und dem dazugehörigen Kiosk bestimmt so viel verdienen, dass er mühelos den nächsten Winter überstehen könnte.
    Falk wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Jörn Krümmel vorne am Pult streng über seine Halbbrille schaute und rief: »Ich erwarte also eure Kooperation und vor allem: üben, üben, üben!«
    Obwohl Falk nicht mitbekommen hatte, worum es ging, nickte er so engagiert wie möglich. Fischbrat-Piet, der Seeräuber unter den Insulanern, grinste Falk breit an.
    Â»Wegen der CD «, raunte er Falk zu, während sich der Chor zerstreute und nach und nach das Pfarrhaus verließ. Falk guckte verständnislos, und Piet klärte ihn auf.
    Â»Jörn will mal wieder eine CD aufnehmen«, erläuterte er Falk mit gesenkter Stimme und zwinkerte mit einem Auge verschwörerisch.
    Â»Aber das kauft doch eh keiner«, flüsterte Falk noch leiser zurück. »Wir singen miserabel, und wer interessiert sich schon für den Heisterhooger Shantychor?«
    Piet erwiderte nichts mehr darauf, sondern blickte ertappt über Falks rechte Schulter, von wo nun eine strenge Stimme erscholl.
    Â»Zum Beispiel die vielen Touristen, die jährlich unsere schöne Insel frequentieren«, vernahm Falk nun Jörn Krümmels Bass.
    Falk drehte sich um und lächelte möglichst unschuldig.
    Jörn setzte sofort nach. »Und wenn nur ein paar Prozent von denen die CD kaufen, sind das vielleicht 2000 verkaufte Exemplare. Wir bieten sie im Buchhandel an, auf der Fähre und in der Kurverwaltung. Jeder Laden von Süderende bis Norderende muss die an der Kasse haben – wirst mal sehen, Falk, das geht weg wie geschnitten Brot.« Jörn war total in Fahrt.
    Falk grinste. Geschäftstüchtigkeit war eigentlich nicht das vordringlichste Markenzeichen des Bürgermeisters, aber während des geruhsamen Winters hatte Jörn einen Fernkurs in Tourismusmanagement und Marketing belegt. Offenbar war das Projekt »Shanty- CD « ein erstes Ergebnis der Fortbildung.
    Â»Und der Erlös fließt in die Vogelstation«, strahlte Jörn nun triumphierend.
    Â»Nicht schlecht«, zollte Falk seinem Freund und Skatgenossen den nötigen Respekt. »Also, dann werde ich mir ordentlich Mühe geben und üben, üben, üben.«
    Er klopfte Jörn Krümmel freundlich auf die Schulter und nahm seine Wetterjacke vom Haken, um den anderen
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