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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische
Autoren: Marie Matisek
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Prolog
    Genüsslich vergrub Falk Thomsen die Zehen im Sand, der sich in der Mittagssonne so stark aufgeheizt hatte, dass die Haut an den Füßen zu prickeln begann. Falk liebte das Gefühl, er ließ sich ganz in den feinen weißen Sand fallen und schloss die Augen. Hinter seinen Lidern glühte es rot von der Sonne, die auf ihn herunterbrannte. Lange würde er es nicht aushalten, aber im Moment gefiel es ihm, dass sein Körper sich anfühlte wie ein Brötchen im Backofen.
    Falk machte eine Pause von seiner harten Arbeit. Er war gerade dabei, die erste Sandburg seines Erwachsenenlebens zu bauen. Den Wassergraben hatte er bereits ausgehoben und daneben einen ansehnlichen Schutzwall errichtet. Auf diesem hatte er mit dem pinkfarbenen Zinnenförmchen der Kinder die Mauer der Vorburg aufgebaut. Im Inneren erhob sich stolz die Thomsen-Feste: ein großer Haufen aus feuchtem Sand, der darauf wartete, durch Falks Hände zu Mauern, Erkern, Höfen und Türmen geformt zu werden.
    Aber jetzt war erst mal eine Pause angesagt. Falk drehte sich zur Seite und warf einen Blick in Richtung Wasser, wo sich die Badenden tummelten. Irgendwo da vorne war Gina mit den Jungs. Falk würde gleich die beiden Minibademäntel bereitlegen, um die Zwillinge darin einzuwickeln und zu knuddeln, wenn sie aus der frischen Nordsee kämen, kleine bibbernde Wonneproppen. Vorne an der Wasserkante wuselten unzählige Mamis und Papis mit ihren Kindern herum, man hörte das babylonische Ermahnungswirrwarr bis hier hinten. Als von rechts ein orangefarbenes Sonnensegel angeflogen kam, dem eine verzweifelte Mittfünfzigerin folgte, wurde er jäh aus seinen Betrachtungen gerissen. Die mollige Frau hatte die Hände ausgestreckt und versuchte vergeblich, einen Zipfel der langen Stoffbahn zu erhaschen, aber immer wenn sie es mit den Fingerspitzen berührte, wurde das Segel von einem Windstoß ergriffen und flog weiter davon. Die beklagenswerte Verfolgerin hatte nur Augen für das Segel und bemerkte dadurch nicht, dass sie auf die straff gespannte Schnur einer Strandmuschel zulief. Falk sprang auf und wollte die Frau warnen, aber sein Ruf kam zu spät, und so flog die Geplagte in hohem Bogen bäuchlings in den Sand. Der Besitzer der Strandmuschel kam sofort aus der grellfarbenen Nylonhöhle geschossen und zeigte der Frau einen Vogel. Dann kümmerte er sich hingebungsvoll um den Hering, den die Frau bei ihrem Sturz herausgerissen hatte, anstatt ihr aufzuhelfen.
    Falk hatte Mitleid mit der geplagten Dame und hechtete dem Sonnensegel hinterher, das in Armesbreite an ihm vorbeiflog. Er konnte es einfangen und kehrte zu der Frau zurück, die sich mittlerweile erhoben hatte und sich kleinlaut beim Strandmuschelbesitzer entschuldigte. Als Falk ihr das Sonnensegel übergab, bedankte sie sich überschwänglich und eilte dann sofort zu ihrem Liegeplatz zurück. Falk blickte ihr nach. Sie wurde bereits von ihrem Ehemann erwartet, der die Alustangen für das Segel ineinandergesteckt und samt der Schnüre und der Heringe in der exakten späteren Standposition des Segels auf dem Sand ausgebreitet hatte. Er empfing seine Frau mit Vorwürfen. Einige Fetzen seiner Beschimpfungen – »wie kann man sich nur so blöd anstellen«, »dusselige Kuh« – drangen bis an Falks Ohr. Falk schüttelte den Kopf und ging die paar Schritte zu seinem Strandkorb zurück. Niemals würde er in diesem Ton mit seiner Liebsten reden, auch nicht nach fünfzig Jahren Ehe. Er war noch immer bis über beide Ohren in Gina verliebt, ja vielleicht noch mehr denn je, seit sie die Zwillinge geboren hatte. Falk kuschelte sich in den hellblauen Strandkorb mit der Nummer 105 und dem geschwungenen Schriftzug »Thomsens Strandkörbe« auf der Rückseite, als er sie kommen sah. Louis war natürlich der Erste, er rannte, so schnell ihn seine kleinen Beinchen über den heißen Sand trugen, hatte die Arme ausgestreckt und schrie: »Papaaa!« Hinter ihm lief Lino, er hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und zitterte am ganzen Körper. Gina, ganz die stolze Mama, kam hinter den beiden und trug die Schwimmflügel, das Gummikrokodil, einen roten Eimer und zwei Schäufelchen. Falk stand auf, ging erwartungsvoll in die Hocke und breitete seine Arme weit aus, um Louis in Empfang zu nehmen. Aber dieser rannte einfach an ihm vorbei, ohne ihn nur eines Blickes zu würdigen, auf das DLRG
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