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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne
Autoren: Elfie Ligensa
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    N a, hast du es
dir so vorgestellt?« Mit weit ausholender Geste wies Olivier Garnier hinüber zur
Bucht, einem eher beschaulich wirkenden Ort, hinter dem sich das beeindruckende
Massiv des Tafelbergs in der flimmernden Luft und hinter einem von glitzernden
Wellen übersäten Meer erhob wie eine Erscheinung. Obwohl es noch früh am Morgen
war und leichter Seewind aufkam, spürte Ben bereits die Kraft der
Sonnenstrahlen. Es versprach ein heißer Tag zu werden. Er musste die Augen
zusammenkneifen, um an Land etwas erkennen zu können. Die Häuser erschienen
winzig vor dem Hintergrund des Bergs, sie boten den gewöhnlichen Anblick eines
Hafens, wie ihn die Parisienne in den vergangenen
zwei Jahren unzählige Male angelaufen hatte.
    Â» Voilà , das ist das
legendäre Kap der Guten Hoffnung – armselig, was?« Olivier klopfte seinem
Nebenmann auf die Schulter, ganz so, als wären sie in Wahrheit Freunde, und Ben
wich beinahe unmerklich zurück. Ein Blick auf die Gestalt an seiner Seite weckte
seinen ganzen Abscheu, wie immer, wenn Olivier ihm unter die Augen kam. Das
fleckige Hemd des anderen Matrosen war weit geöffnet und entblößte die dichte
Brustbehaarung. Ben konnte deutlich erkennen, wie sich Oliviers Schmerbauch über
die ausgewaschene Leinenhose wölbte, die mit einer roten Kordel gehalten wurde,
und er roch einen Hauch des muffigen Geruchs, den das letzte Saufgelage unter
Deck in dessen Kleidern hinterlassen hatte. Ein rotes Tuch, das er sich um den
Hals gebunden hatte, schützte den feisten Nacken vor der sengenden Sonne. Das
dicke schwarze Haar des Südfranzosen aus dem kleinen Küstenort Collioure im
Roussillon war stumpf, und seine Augen standen eng zusammen. Ein leichter
Schauder überlief Ben. Der Mann war ihm widerwärtig, das hatte er gleich
gespürt, als er ihm vor zwei Jahren das erste Mal an Bord begegnet war. So lange
war das her, er konnte es kaum fassen.
    Der junge Deutsche wandte den Blick ab und atmete
die würzige Seeluft ein. Egal, was Olivier sagte, es konnte sein Glück nicht
trüben, konnte ihm nichts von seinem aufgeregten Herzklopfen nehmen. Selbst wenn
das, von dem er annahm, dass es Cape Town oder Kapstadt war, nicht gerade so
aussah, als wenn es eine glückliche Zukunft für ihn bereithalten würde. Drüben
in dem Hafen an der Südspitze Afrikas herrschte reges Treiben, das konnte man
selbst aus der Entfernung erkennen. Zwischen einfachen Holzhäusern,
Lagerschuppen, Pferdekutschen und Ochsengeschirren war ein emsiges Gewirr von
Menschen zu erahnen, und er spürte Unruhe in sich aufsteigen, weil er nun kurz
vor dem Ende seiner langen Reise stand.
    Afrika! Endlich war er angekommen, und sein Traum
würde wahr werden, der Traum, der ihn aus seinem beschaulichen Heimatort im
Rheingau in diesen entlegenen Winkel der Welt geführt hatte. Sein Leben würde
hier endlich beginnen. Welches Schicksal erwartet mich hier?, fragte er sich
bang. Würde er die Lebensprüfung, die ihm ohne Zweifel bevorstand, zum Guten
wenden können – oder würde er seinen Traum begraben müssen, so wie sein Ahne vor
vielen Jahren?
    Er wusste, dass er sich Olivier gegenüber nichts
anmerken lassen durfte von seinen Träumen und Hoffnungen, wenn er diese nicht
der unverhohlenen Häme des Franzosen preisgeben wollte.
    Â»Ein Städtchen wie viele andere auch, dieses
Kapstadt«, antwortete Ben daher nur knapp und strich sich eine Strähne seiner im
Nacken zusammengebundenen dunklen Haare zurück, die ihm der raue Küstenwind ins
Gesicht geweht hatte. Der dreißig Lenze zählende Ben galt mit seinem muskulösen
Körperbau und seinem markanten Gesicht mit den dunklen Augen als gutaussehender
Bursche, und er wusste, dass ihm nicht wenige Männer auf dem Schiff seinen
Schlag beim anderen Geschlecht neideten. Ben hätte viele Frauen haben können,
und nicht nur gegen bare Münze, wie einige der anderen Besatzungsmitglieder. Im
Laufe der vergangenen Jahre hatte es nicht nur eine Frau gegeben, die seiner
Wortgewandtheit und seinem rauen Charme erlegen war und deren Reizen auch er
nicht hatte widerstehen können. Sie hatten ihm oft geschworen, sie würden auf
ihn warten, bis er wiederkäme von hoher See, doch keiner war es gelungen, ihm so
sehr den Kopf zu verdrehen, dass er auch nur flüchtig daran gedacht hätte,
seinen Traum von Afrika aufzugeben. Und dann war da noch Katrin,
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