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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne
Autoren: Elfie Ligensa
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ungern daran zurück, welche Ereignisse zu
diesem Entschluss geführt hatten.
    Ben war der jüngste Sohn der Ruhlands, einer
alteingesessenen Winzerfamilie im Rheingau. Der Besitz wurde einer alten
Tradition folgend stets dem ältesten Sohn vererbt. So würde also Benjamins
Bruder Peter einst die Weinberge bestellen. Der Zweitälteste, Markus, würde in
die Familie des Nachbarguts einheiraten und nicht Winzer, sondern Bauer werden.
Er wirkte zufrieden mit seinem Los, und Ben verstand ihn, denn die rothaarige
Marie, Markus’ Braut, war ein hübsches Mädchen, drall und gesund. Sie konnte
arbeiten, aber sie konnte auch lustig sein. Oft hörte Ben sie lachen, wenn die
beiden Verliebten sich abends im alten Weinberg, der gleich ans Haus angrenzte,
trafen oder auf der Bank neben der Scheune ein Stelldichein hatten.
    Ben hatte keine großen Aussichten, er hatte nur
die Kraft seiner Hände und eine Liebe, die ihm das Herz weit machte. Wenn man
ihn fragte, dann war Katrin Wegener das hübscheste Mädel weit und breit, und Ben
machte sich berechtigte Hoffnungen, dass sie ihm eines Tages das Jawort geben
würde. Dass er ihr nichts würde bieten können, bekümmerte ihn oft, denn daheim
schien kein Platz für ihn zu sein, es sei denn, er ordnete sich Peter unter, und
mit dem hatte er oft Streit, denn sein Bruder neigte dazu, ihm seine Stellung im
Haus nur allzu deutlich vor Augen zu führen.
    Nun, damit hätte er sich vielleicht noch abfinden
können. Er hätte vielleicht als Kellermeister gearbeitet oder als Vorarbeiter im
Weinberg. Doch dann sah er eines Abends auf dem Heimweg aus dem Weinberg, es war
im Mai 1791 , zufällig, wie Peter Katrin unter der
alten Kastanie im Hof küsste. Leidenschaftlich, voller Verlangen. Und Katrin,
die doch angeblich ihm, Ben, gut war, ließ es sich gefallen. Sie schmiegte sich
an Peter, vergrub die Hände in seinem dunklen Haar, bog den Kopf zurück und ließ
es geschehen, dass Peter die zarte Stelle zwischen ihren Brüsten küsste. Gleich
darauf zog er sie in den Stall, in dem die vier Ackergäule standen. Und was dort
geschehen war … Ben hatte diese Bilder aus seinem Gedächtnis verbannen wollen,
jede Erinnerung an das, was er gesehen hatte, als er sich anschlich und durch
die Stalltür spähte: Peter und Katrin wälzten sich im Stroh, Katrin, das blonde
Haar wild zerzaust, hatte die Röcke hochgeschoben und zog mit fliegenden Fingern
Peter das Leinenwams aus, löste den Gurt, mit dem die Hose zusammengehalten
wurde. Dabei lachte sie leise und kehlig. Gleich darauf lagen die beiden
übereinander. Peter keuchte vor Lust, Katrin schrie … und er, Ben, er stand da
wie erstarrt.
    Das musste eine Sinnestäuschung sein! Katrin
liebte doch ihn, Ben! Sie hatte es ihm doch schon so oft geschworen, in so
vielen kalten Winternächten, wenn er sich in ihre Kammer geschlichen und sich zu
ihr unter ihr warmes Federbett gelegt hatte …
    Lüge. Alles Lüge und Berechnung. Sie wollte
Herrin auf dem Weingut werden, das war es! Da vergaß sie einfach, was sie ihm,
Ben, erst im Frühjahr bei einem zärtlichen Zwiegespräch unter dem blühenden
Fliederbusch am hinteren Gartenzaun versprochen hatte. Damals hatte er sie zum
ersten Mal geliebt. Wie genau er sich erinnerte – auch jetzt noch, vier Jahre
später, hätte er jede Linie ihres Gesichts nachzeichnen können. Und der Duft
ihrer Haut an jenem Tag … er glaubte, ihn immer noch zu riechen. Es war der Duft
ihrer Haut und der Duft nach Heu und nach frischer Milch, denn sie war gerade
aus dem Kuhstall gekommen. Aber es war auch der Duft nach Flieder … Verdammt,
wenn er daran dachte, dann tat es immer noch weh!
    Ben wollte die Gedanken verscheuchen, doch sie
ließen ihn nicht los. Hundertmal hatte er die Szene in seinen Träumen vor sich
gesehen. Katrin und Peter, die sich im Stroh wälzten und sich ihrer Lust
hingaben – das war keine Liebe, sondern hemmungslose Leidenschaft, das wusste
Ben genau. Und als sein Bruder lachte, selbstsicher, triumphierend, da kam es
ihm so vor, als wüsste er, dass Ben draußen stand, mit wehem Herzen und mit
einer ungezügelten Wut im Leib. Doch falls er es wusste, so kümmerte es Peter
sicher nicht. Er war immer schon skrupellos gewesen, hatte seinen Willen
durchgesetzt und sich nicht darum geschert, was die anderen dachten oder
fühlten. Nun hatte er sich einmal mehr genommen,
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