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Ein rettender Engel in Hamburg Gabriel

Ein rettender Engel in Hamburg Gabriel

Titel: Ein rettender Engel in Hamburg Gabriel
Autoren: Sissi Kaipurgay
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Gabriel
     
    Die friedliche, dunkle Stille im Zimmer der Wache wurde gleich zweimal durch die schrille Tonfolge des Melders gestört. Rettungsassistent Gabriel gab seine ruhende Position auf, noch bevor der Störenfried fertig gequietscht hatte. Es war noch dunkel, die Uhr zeigte kurz vor vier.
    Er nahm das schwarze Kästchen aus der Ladestation, klemmte es an sein Hosenbein und lief hinaus zur Garage. Aus dem Melder erklang die kratzige Stimme des Disponenten: „Einsatz für den RTW 2, NEF 1, Verdacht auf Suizid, Blücherstraße 20. Ich wiederhole…“
    Bevor die Stimme ihre Drohung wahrmachen konnte, schaltete Gabriel die Quietschdose aus und dachte bei sich: was für eine unpassende Zeit, um aus dem Leben zu scheiden. In drei Stunden wäre es ein Problem der Tagesschicht gewesen, aber nein, es musste ja unbedingt jetzt sein.
    Noch ahnte er nicht, dass der Zeitpunkt perfekt gewählt war.
     
    Er machte diesen Job jetzt schon seit zehn Jahren. Damals, als er seine Bewerbung schrieb, da träumte er von großen Helden und hilflosen Opfern, die er, wie sein Idol Batman, aus jeder misslichen Lage retten würde. Doch schon im Grundlehrgang erkannte er, dass ein Batman verdammt viel Theorie pauken musste, lange bevor er eine winzige Heldentat vollbringen durfte.
    Inzwischen war der Kollege aus dem zweiten Ruheraum zu Gabriel gestoßen. Während sich Max ungelenk die Jacke überstreifte, rauschte noch sein Melder. Die Müdigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Max war erst sechs Jahre dabei, dafür aber auch schon vier Jahre älter als Gabriel. Nachdem er mühevoll Bäcker gelernt hatte, entwickelte er eine Mehlallergie. Dann hatte er gedacht, bevor er Metzger wird geht er gleich zum Rettungsdienst.
    Eigentlich waren sie alle aus dem gleichen Grund hier: sie wollten Helden sein. Manche hatten auch ein Helfersyndrom. Gabriel hatte beides. Er wollte dort sein, wo es brannte, wo Menschen Hilfe brauchten, wo er die ganze Welt retten konnte.
    Bei der ersten erfolglosen Reanimation bekam sein Ideal das erste Mal Risse. Da erkannte er, dass der Rettungsdienst kein Haufen von Helden war.
     
    Die verschlafene Imitation eines Notarztes stand schwankend im Eingang der Wache, geistig völlig abwesend.
    Gabriels überschwängliches: „Guten Morgen“, als er die Brandschutztür zur Garage aufschlug wurde nicht erwidert. Mit einem Schwung hatte er die Tür des Rettungswagens geöffnet, das Meldesystem blinkte ihm freudig entgegen. Kurz bestätigte er die Einsatzübernahme am Funkgerät, während sich Max vor der offenen Fahrertür in seine Stiefel zwängte.
    „Komm schon“, forderte Gabriel ungeduldig und griff nach dem Einsatzprotokoll, auf dem er die Uhrzeit vermerkte. Auf dem Display las er den Namen ab: Paul Müller.
    Max lief zu Höchstform auf, als er den Wagen endlich gestartet hatte. Rhythmisch blau blinkend durchquerten sie die Nacht, leere Straßen, rote Ampeln. Da ein Zeitungsausträger, hier ein Bäckergeselle. Max tat gut daran, auf der freien Straße die überflüssige Sirene nicht anzuschalten, sonst hätten sie ein paar Herzinfarkte versorgen müssen.
    Aus dem Funkgerät erklang wieder diese piepsige Tonfolge.
    „Einsatz für NEF 1, zweite Alarmierung!“
    Gabriel fragte sich, ob der Notarzt noch immer schlafend vor der Wache stand, als Max mit qualmenden Reifen vor einem Mehrfamilienhaus hielt. Schon hatte er die Handschuhe übergestülpt, sprang aus dem Wagen und in den Behandlungsraum. Dort riss er das EKG aus der Halterung und nahm unterwegs den Sauerstoff mit. Max würde den restlichen Kram mitbringen.
    „Müller“, murmelte Gabriel, während er die Klingelschilder mit seinem Blick abtastete.
    Er fand das entsprechende Schild und stürmte durch die offene Haustür. Eine Treppe höher erreichte er die ebenfalls unverschlossene Wohnungstür. Mit einem beherzten Schubs verschaffte er sich Zugang und ging zielstrebig auf das Wohnzimmer zu, wo er das Flimmern eines Fernsehers ausmachen konnte.
    „Hallo“, sagte er halblaut, als er das Zimmer betrat.
    Auf dem Sofa kauerte mit gesenktem Kopf ein Mann, vor dem Gabriel nun niederkniete.
    „Hallo“, kam es kleinlaut und weinerlich zurück.
    „Schauen Sie mich mal an“, forderte Gabriel den Kerl auf.
    Der gehorchte und schaute mit verquollenen Augen hoch.
    „Was haben Sie eingenommen?“ Auf dem Tisch hatte er herumliegende Tablettenschachteln entdeckt.
    „Ich – ich habe Schlaftabletten genommen.“
    „Welche?“
    „Die
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