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Heimkehr

Heimkehr

Titel: Heimkehr
Autoren: Richard Bach
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Einleitung
     
    Meine Wahrheit hat sich seit langer Zeit verfeinert. Ihretwegen habe ich mit Hoffnung geforscht und mit Intuition nachgehakt, und ich habe sie, so gut es eben ging, mit eigenen Gedanken gefiltert und verdichtet. Und dann lief sie durch meine Motoren — zuerst ganz vorsichtig, um zu erkennen, was geschehen würde.
    Es gab dabei Rückschläge, ein oder zwei Explosionen auf der Rennstrecke, bis ich merkte, wie dynamisch jede hausgemachte Philosophie sein kann. Rußverschmiert, aber sehr viel klüger, flackerte ich eine Weile, um dann zu begreifen, daß ich meinen Geist mit diesem speziellen Brennstoff fast mein ganzes Leben vorangetrieben hatte. Und sogar heute noch erhöhe ich, vorsichtig und tollkühn zugleich, ganz allmählich die Oktanzahl.
    Ich wollte jedoch meine eigenen Fakten nicht aus Spaß an der Sache brauen oder weil ich vom Leben nicht genug ausgefüllt war. Ich war voller Leidenschaft, ich wollte wissen, warum es uns überhaupt gibt und nach welchen Maximen wir leben sollen. Deshalb durchstöberte ich in meiner Jugend die Weltreligionen; und als Pilot bei der Air Force besuchte ich Abendkurse über Aristoteles, Descartes und Kant.
    Der letzte Kurs war beendet, meine Schritte hallten langsam und schwer auf dem Bürgersteig wider, ich war in einer seltsamen Depression gefangen. Aus dem Klassenzimmer hatte ich lediglich die Erkenntnis mitgenommen, daß diese Herren dort kaum wußten, wer wir sind und warum wir existieren. Sie wußten weniger darüber als ich — und ich hatte kaum einen Schimmer.
    Sie waren kopflastige Intellektuelle, ließen sich irgendwo da oben in der Atmosphäre treiben, am Himmelsgewölbe, das doch eigentlich den Kampfflugzeugen meiner Regierung vorbehalten war. Ich war bereit, von ihren Einsichten schamlos zu lernen, meiner eigenen Erkenntnis zuliebe – das war im Augenblick alles, was ich tun konnte, anstatt in die Klasse zu schreien: »Wen interessiert das eigentlich?«
    Den praktischen Sokrates bewunderte ich, weil er es vorgezogen hatte, für seine Grundsätze zu sterben, obwohl eine Flucht leicht möglich gewesen wäre. Andere Menschen waren nicht so standhaft. All diese vollgestopften Buchseiten, all die vielen Buchstaben, und schließlich ihr kluges Ergebnis: Du bist auf dich allein gestellt, Richard. Woher sollen wir wissen, was dir nützt?
    Die Studien waren beendet, ich wanderte ziellos durch die Nacht, meine Schritte hallten auf dem leeren Universitätsgelände wider, wo sollte ich bloß hingehen?
    Mit diesem Kurs hatte ich mich orientieren wollen, ich brauchte einen Kompaß, der mich durch den Dschungel führte. Organisierte Religionen waren für mich schwankende Brücken, leicht befestigte Zweige, die beim ersten Druck brachen — die Frage eines Kindes lüftete eher das Geheimnis der Mysterien. Warum klammern sich die Religionen an unlösbare Fragen? Wissen sie denn nicht, daß die Aussage Darauf gibt es keine Antwort keine vernünftige Antwort ist?
    Immer wieder wurde ich mit einer neuen Theologie konfrontiert, und jedesmal erfolgte der Test: Kann ich diesen Glauben in mein Leben integrieren?
    Jedesmal, wenn ich mir diese Frage stellte und die Sache genauer prüfte, erzitterte das ganze Gespinst der Mikadostäbe, fiel vor meinen Augen in sich zusammen; Stufen brachen ab, stürzten ein, waren nicht mehr zu sehen.
    Ich wollte die Welt packen und vom Abgrund zurückkriechen, heilfroh darüber, daß ich nicht abgestürzt war und den Tod gefunden hatte. Wie würde man sich wohl fühlen, wenn man sein Herz an eine Religion hinge, die einem den Flammentod unseres Planeten am 31. Dezember versprach, und wenn man dann am Neujahrsmorgen erwachen und das Lied der Schneeammer hören würde? Verschaukelt würde man sich fühlen.
    Wie ich so durch die Nacht ging, hörte ich hinter mir auf dem Bürgersteig plötzlich die Schritte einer Frau. Ich ging nach rechts, um sie vorbeizulassen.
    Jetzt habe ich zwanzig Philosophen studiert. Ich nehme an, sie waren die strahlendsten Geister der Geschichte – und jeder von ihnen ist gescheitert. Sie sollten mir doch nur einen Weg zur Erkenntnis des Universums aufzeigen, um mich im täglichen Leben anzuleiten – eigentlich nicht zuviel verlangt, sollte man glauben, von Denkern wie Thomas von Aquin oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Ihre Antworten sprachen für sie, aber ihr Alltag hatte sich auf einem anderen Stern abgespielt.
    »War Ihr Studium umsonst?« fragte mich die Frau. »Man hat Sie doch einfach das gelehrt, was Sie
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