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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne
Autoren: Elfie Ligensa
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Spelunken, an denen er vorbeikam,
dröhnte Oliviers Stimme, nur unterbrochen von dem albernen Kreischen und Kichern
einiger Mädchen. Das Haus trug den großspurigen Namen Ye
Golden Whale Tavern , doch es wirkte so trist wie ein Armenhaus am
Rheinufer. Adieu Seemannsleben und auf Nimmerwiedersehen, du Prahlhans, dachte
Ben und verspürte große Genugtuung bei dem Gedanken, dass er diesen Taugenichts
nun wohl nie mehr in seiner Nähe ertragen musste.
    Nur weiter, schließlich hatte er keine Lust, die
Ausschweifungen der anderen Matrosen mitanzusehen. Die nächste Gaststätte wirkte
nicht ganz so verkommen, aber fast noch ärmlicher. Die Buchstaben, die jemand
vor langer Zeit sorgfältig auf ein hölzernes Schild über der Eingangstür
gepinselt hatte, waren von Sonne, Wind und Regen ausgeblichen, aber noch gut zu
entziffern: Zum Rheinfels , las er, und ein
angenehmer Schauer überlief ihn. Das klang verheißungsvoll nach Heimat.
Vielleicht hatte er Glück und traf auf einen Landsmann? Sein Herz pochte
aufgeregt, als er die Tür aufdrückte, die dabei ein unwilliges Knirschen von
sich gab.
    Â»Grüß Gott!«, rief er, als er das schummrige
Innere betrat. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit, und er sah,
dass nur wenige Gäste im Schankraum saßen.
    Â»Gott zum Gruße, Seemann.« Ein warmes Gefühl
breitete sich in ihm aus, als er seine Muttersprache vernahm. Zugegeben, die
Stimme war hoch, ein wenig schrill – aber in Bens Ohren klang sie wunderbar.
Hinter dem Tresen trat eine kleine Frau hervor. Die gebeugten Schultern und die
dünnen, sehnigen Arme ließen darauf schließen, dass sie Entbehrungen und harte
Arbeit gewohnt war. Ihr strähniges graues Haar und die tief in den Höhlen
liegenden Augen in dem hageren Gesicht zeugten davon, dass sie schon einiges
erlebt hatte.
    Â»Haste Hunger?«, fragte sie und sah ihn mit
wachem Blick an. »Ich hab Hühnerbrühe und Brot. Mehr is’ nicht.« Ein
Schulterzucken begleitete diese Worte.
    Â»Dann nehme ich das gern. Kann ich ein Bier dazu
bekommen?«
    Die Alte lachte meckernd. »Was für ’n
wohlerzogenes Bürschchen! Klar kannste Bier haben. Gibt auch Wein.« Sie
zwinkerte Ben kurz zu, drehte sich um und holte einen Krug aus dem morschen
Holzregal hinter der Theke. »Den kriegt nich’ jeder. Aber du bist ja aus der
Heimat …« Bei diesen Worten wurden ihre Züge weicher. Sie lächelte, und Ben
konnte erkennen, dass ihr viele Zähne fehlten. Dennoch verriet dieses Lächeln,
dass die Wirtin einst sehr hübsch gewesen sein musste. Ein wenig von der
verblichenen Schönheit schimmerte auch aus den lebhaften Augen.
    Â»Ein Bier und dann zum Essen gerne Wein«, sagte
er und nahm den Platz ein, den sie ihm mit einer knappen Handbewegung zuwies. Es
war ein Tisch gleich bei der Küche. Er bekam einen Krug Bier, dann erst einmal
einen Kanten Brot, das erfreulich frisch war und würzig schmeckte. Eine Wohltat
nach der langen Schiffsreise! Da hatte es in den letzten Wochen nur noch
wurmzerfressenen Zwieback, gepökeltes Fleisch und hin und wieder einen Fisch
gegeben, den der Schiffsjunge geangelt hatte.
    Â»Hier.« Die Alte kam aus der Küche zurück und
stellte eine Schale mit dampfender Suppe vor ihn hin. Dann holte sie einen Krug
mit Wein, stellte zwei Becher dazu und ließ sich Ben gegenüber nieder. »Woher
kommst du, Seemann?«, fragte sie mit neugierigem Blick und nahm einen Schluck
aus dem Becher.
    Â»In den letzten Monaten war ich auf See«,
erwiderte er und begann mit Heißhunger, die Suppe zu löffeln. »Aber eigentlich
bin ich kein Seemann.« Er trank, wischte sich den Schaum von der Oberlippe und
sah die Wirtin kurz an. »Ich heiße Benjamin Ruhland und bin aus dem
Rheingau.«
    Â»Wie mein Alter, Gott hab ihn selig.« Sie
musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Warst lange unterwegs, was?«
    Â»Ja. Insgesamt bin ich vier Jahre von daheim weg.
Erst bin ich durchs Land gezogen, hab mir Arbeit gesucht und schließlich auf
einem Handelsschiff angeheuert.« Er aß mit Appetit. Die Suppe, die reichlich
Fleisch enthielt, kam ihm vor wie ein Festmahl. Der blankgescheuerte Tisch
wirkte sauber, genau wie Löffel und Becher. Das war in Hafenkneipen selten.
    Im hinteren Teil der Gaststube saßen vier Männer
und tranken schweigend ihr Bier. Als Ben hereingekommen war, hatten sie
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