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Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne
Autoren: Elfie Ligensa
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Kaimauer schwappende Wasser, in dem allerlei Unrat
trieb. Johannes Ruhland hatte vor mehr als siebzig Jahren bei dem Winzer Simon
van der Stel als Kellermeister gearbeitet und war dann in den Rheingau
zurückgekehrt, um dort seinen Lebensabend zu beschließen. Bis zu seinem Tod
hatte Johannes Ruhland von Afrika geträumt, von den weiten Hängen unterhalb des
Tafelbergs, die grün waren von Reben. »Der Duft des Bodens ist erdig und
kraftvoll, und die Farben dort sind tausendmal leuchtender als hier«, hatte er
voller Inbrunst gesagt. »Wenn ich die Augen schließe, sehe ich den Morgentau auf
den Weinreben in der Sonne glitzern, Ben.« Ein sehnsüchtiger Seufzer hatte die
Worte begleitet. »Es wird mir immer auf der Seele liegen, dass ich Ruhlands Hoffnung nicht halten konnte. Vielleicht
bringst du eines Tages das zu Ende, was ich nicht schaffen konnte.« Er hatte dem
Buben kurz übers Haar gestreichelt. »Du bist wie ich, Benjamin – voller Träume,
voller Sehnsucht nach der Fremde.«
    An diese Worte des alten Mannes, der die letzten
Lebensmonate krank und kraftlos auf dem heimatlichen Weingut verbracht hatte,
musste Ben oft denken. Dank der Erzählungen seines Großvaters wusste er auch,
dass es hierzulande sowohl sandigen Grund wie auch Granitböden und Schiefer gab
und dass man daher die verschiedensten Rebsorten anbauen konnte. Er wusste um
die Tücken des Wetters und um die Magie des ersten Schlucks Wein aus jedem neuen
Jahrgang. Fast konnte er schon spüren, wie ein fruchtiger Tropfen seine Kehle
hinunterrann. Wie lange war es her, dass er einen Wein wirklich geschmeckt
hatte, dass er sich von dem Aroma die Sinne hatte rauben lassen?
    Simon van der Stel, bei dem sein Großvater in
Lohn und Brot gestanden hatte, bevor er etwas Eigenes kaufte, war der Gründer
des großen Weinguts Stellenbosch gewesen, das noch
heute bestand. Für den jungen Winzer Johannes war dieser Mann einst ein großes
Vorbild, ja fast ein Gott gewesen, für den er um die halbe Welt gefahren war, um
bei ihm die Kunst des Weinanbaus zu vervollkommnen. Ben hoffte nur, dass er mehr
Erfolg haben würde als Simon van der Stels Nachkommen. Dessen großer Besitz, der
unter seiner Hand im Schatten des Tafelbergs zu großem Ansehen erblüht war, war
nun, im Jahr 1795 , nicht mehr so bedeutend wie
einst, das wusste Ben aus Erzählungen der Schiffer und von anderen Winzern.
Misswirtschaft trug daran offenbar die Schuld ebenso wie ungünstige Witterung,
die vor Jahren einen großen Teil der kostbaren Weinstöcke vernichtet hatte.
    Den Traum jedoch, den Simon zu seiner Zeit
verwirklicht hatte, träumte auch Ben. Ein eigenes Weingut, ein Haus inmitten
grüner Reben, ein blühender Handel mit dem guten Tropfen, den nur seine eigene
Erde hervorbrachte – all das hatte er sich wieder und wieder ausgemalt, wenn er
auf seiner Pritsche unter Deck keinen Schlaf fand. Er hatte inständig gebetet,
dass er klügere Entscheidungen treffen und eine länger währende Glückssträhne
haben möge als Simon van der Stel. Er hatte sich sogar schon einen Namen
ausgesucht – Hopeland wollte er seinen Besitz
nennen, in Anlehnung an den Namen, den der Großvater seinem Land einst gegeben
hatte. Jetzt, da die Engländer immer mehr die Herrschaft über die Welt
übernahmen, klang ihm ein englischer Name allerdings passender als das deutsche Ruhlands Hoffnung .
    Als er sich erhob und zum Schiff zurücklief, um
seine Heuer einzufordern, knisterten die Briefe des Großvaters in der
Innentasche seines Wamses, ganz so, als wollten sie verheißungsvoll verkünden:
Auf zu neuen Ufern, auf zum größten Wagnis deines Lebens!
    Johlend und unter großem Gelächter gingen in
diesem Moment alle Matrosen an ihm vorbei von Bord. Allen voran Olivier, der
lauthals damit prahlte, dass er die Bierstube mit den schönsten Mädchen förmlich
riechen könnte. »Das ist Begabung und langjährige Erfahrung in einem!«, rief er.
» Allez , die Schönsten der Schönen können es kaum
erwarten, dass wir sie beglücken.«
    Die Männer waren ausgehungert – nicht nur nach
einem Wirtshausbesuch, sondern auch nach willigen Mädchen, die sie die raue Zeit
an Bord für eine Zeitlang vergessen ließen und die ihnen im Tausch gegen einige
Münzen Leidenschaft vorspielten. Ben wusste, es würde genügend Spelunken im
Hafen geben, dass alle auf
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