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Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)

Titel: Kojoten am Rio Grande (Western-Reihe 'Die Al Wolfson-Chroniken') (German Edition)
Autoren: Dirk Bongardt
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Dass eine Kugel dir vielleicht jeden Augenblick durch den Hinterkopf schlägt, oder ein gefiederter Pfeil deine Leber durchbohrt, an die Vorstellung hast du dich nach ein paar Tagen gewöhnt. Es gibt schlimmeres.

    Wenn dein Gesicht anfängt zu jucken wie der Leibhaftige, weil du es hinter einem Bart verstecken musst,

    wenn tausend Stechmücken dir dein Blut aus dem Körper saugen, weil du sie nicht mit einem Lagerfeuer vertreiben kannst,

    und wenn du in einer Woche gerade so viel essbares schießt, wie du sonst bei einer einzigen Mahlzeit verdrückt hast,

    dann verlieren Gedanken über das, was vielleicht passieren könnte, viel von ihrem Schrecken.

    Die Zellentür eintreten, Luke Branaghan sein eigenes Blei schmecken lassen, auf mein Pferd und dann auf und davon, weiter hatte ich nicht gedacht. Doch, ein Stück weiter schon. Ich hatte Eliza mitnehmen wollen. Westwärts hätte unser Weg geführt, und irgendwo hätte ich mit ihr ein Stück Land erschlossen, eine kleine Farm aufgebaut, ein paar Bälger in die Welt gesetzt. Ja, ich hätte mir mein Leben auch ohne die Herumtreiberei vorstellen können.

    Deswegen hatte ich mich über Nacht in der verlassenen Hütte am Rand von Diggers Tomb versteckt gehalten und geduldig gewartet. Als Eliza die Schulkinder am nächsten Nachmittag nach Hause geschickt hatte, war sie, wie es ihre Gewohnheit war, in das Wäldchen gegangen, durch das sich ein schmaler Bach zog. Dort hatte ich sie getroffen, aber sie hatte mir nicht die Antwort gegeben, die ich hatte hören wollen.

    „Mein Platz ist hier. Die Kinder von Diggers Tomb brauchen mich. Ich liebe dich, Tom, und ich weiß, dass du unschuldig bist. Stell dich, und sag ihnen, wie es wirklich war. Du kannst auf einem fairen Prozess bestehen. Wenn du das nicht tust, dann giltst du weiter als Mörder, als Gesetzloser, und dann gibt es für uns beide keine gemeinsame Zukunft.“

    Eliza hatte einen unerschütterlichen Glauben an Recht und Gesetz. Übersehen hatte sie, dass es hier überhaupt kein Recht und kein Gesetz gab, sondern einen Richter, der sein Urteil nicht nach Beweisen fällte, sondern danach, was der Sheriff von ihm verlangte. Und einen Sheriff, der nichts lieber sähe als mich am Galgen. Dass ich seinem Bruder Luke eine Schrotladung verpasst hatte, dürfte ihn nicht eben wohlwollender gestimmt haben. Hätte ich mich gestellt, hätte ich mir den Strick auch gleich selbst um den Hals legen können. Und das wäre es dann gewesen: Keine kleine Farm im Westen, keine kleinen Toms und Elizas, die auf unserer Veranda tobten, kein Whiskey vor dem Kamin, kein Sonntagstanz und keine Pokerrunden. In der Sonntagsschule haben sie uns etwas von Glückseligkeit erzählt, die im Jenseits auf die Gerechten wartet, aber ob es da Whiskey und Poker gibt, Musik und Liebe, den Geruch der Prärie und den Geschmack von Steaks, das hat mir keiner versprechen wollen. Ach ja, und weiß der Teufel, ob ich überhaupt gerecht genug bin für die Glückseligkeit.

    Also hatte ich Eliza Lebewohl gesagt und war, als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, davon geritten. Die Branaghans, das hatte Eliza mir gesagt, hatten ein dutzend Männer zusammen getrommelt, die im Umkreis von einem Tagesritt alles nach mir absuchen sollten. Wie lange sie ihre Suche fortsetzen würden, war schwer abzuschätzen, aber wenn sie erst die Steckbriefe mit meinem Gesicht darauf überall verteilt hätten, dann wäre bald jeder verfluchte Kopfgeldjäger von El Paso bis Columbus hinter mir her.

    Statt nach Westen zu reiten, wie ich es ursprünglich vorgehabt hatte, und wie es die Männer aus der Stadt wohl auch vermuten würden, wandte ich mein Pferd nach Osten. Mein Ziel war das Tal, durch das sich der Rio Grande schlängelte: Dort gab es Wild und Wasser, und so lange ich mich zwischen den vielen Büschen und Bäumen dort bewegte, konnte mich aus der Ferne so schnell keiner ausmachen. Dort würde ich bleiben, bis Gras über die Sache und ein Bart in meinem Gesicht gewachsen war. Danach würde ich mir einen neuen Namen und eine gute Geschichte ausdenken, mir in El Paso eine Arbeit suchen und ein neues Leben beginnen. Das war jedenfalls der Plan.

    Ich war die halbe Nacht geritten, und meinte schon, irgendwo weit vor mir das Rauschen des Rio Grande zu hören, als mein Mustang unerwartet seinen Trab verlangsamte und nervös zu schnauben begann. Nun gab es vieles, was Tyler nervös machte: Unwegsames Gelände mochte er nicht, er scheute sich vor Klapperschlangen, Feuer
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