Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Herzen der Feuersonne

Im Herzen der Feuersonne

Titel: Im Herzen der Feuersonne
Autoren: Elfie Ligensa
Vom Netzwerk:
verhindern, dass Bitterkeit in
seiner Stimme mitschwang. Sein Vater war ein grobknochiger, strenger Mann, der
nur eine Freude zu kennen schien: seine Weinberge und den Ertrag daraus. Seine
Söhne waren nichts weiter als Gehilfen auf dem Gut. So zumindest hatte Ben es
immer empfunden. Allein Peter als Erbe der Ruhlands besaß die Achtung des
Vaters. Er sollte die Arbeit vergangener Generationen fortführen.
    Â»Sag nicht so etwas, Junge! Der Vater ist dir
gut«, rief Josefa verzweifelt. »Ben! So bleib doch, Bub!«
    In diesem Moment tat ihm seine Mutter noch mehr
leid als sonst. Ihr Leben war nicht leicht gewesen, denn sein Vater war ein
Mensch, der nur selten lachte und der auch ihr, seiner Frau, keine Freude
gönnte. Josefa hatte nur ein junges Ding von zwölf Jahren als Hilfe im Haus.
Hanni, die Tochter eines Tagelöhners, war ein spindeldürres Mädchen, das ihr
kaum wirklich zur Hand gehen konnte.
    Aber was konnte er ändern an ihrer Lage? Nichts.
Sein Abschied würde die Mutter immerhin von einem weiteren Esser befreien.
    Ein letzter Blick, ein inniger Händedruck. Ben
beugte sich noch einmal zu ihr hinab und küsste sie auf die Wange. Sie schlug
das Kreuzzeichen über ihn, dann ging er ohne ein weiteres Wort davon.
    Nachdem er sich einige Zeit als Pferdeknecht,
dann sogar als Landarbeiter in Venetien und Umbrien verdingt hatte, kam er auf
seiner Wanderung schließlich nach Frankreich und heuerte in Marseille zum ersten
Mal als Matrose an. Auf dem Meer fühlte er sich frei und ungebunden, also blieb
er dabei, zumal er auf der Parisienne in Jérôme
Bertrand einen ordentlichen, rechtschaffenen Kapitän gefunden hatte, der seine
Leute gut behandelte und der sie ehrlich bezahlte. Die Heuer war zwar alles
andere als ein fürstlicher Lohn, ein paar Silbertaler gerade mal, aber Ben
sparte eisern. Er hatte ein Ziel, und für dieses Ziel lohnte sich jede
Entbehrung!
    Als sich das zweite Jahr auf See dem Ende
entgegenneigte, kaufte er in Frankreich und in Italien, im Piemont, einige
Rebstöcke und brachte diese in Genua an Bord, wo die Parisienne für sechs Tage ankerte, da einige Segel ausgebessert
werden mussten.
    Diese musste er nun schnell zu seinem Land
schaffen – oder vorübergehend an einem Ort lagern, an dem nicht die Gefahr
bestand, dass sie gestohlen oder von irgendeinem Hohlkopf als Unkraut vernichtet
wurden.
    Die Wirtin wischte sich die Hände an der
fleckigen Schürze ab und sah ihn forschend an. »Du hast also vor, hier Wein
anzubauen, Jungchen, ja?«
    Er nickte nur.
    Â»Da bist du nicht der Erste. Mein Großvater hat’s
auch versucht, aber er hatte kein Glück.« Sie zuckte mit den Schultern. »Na, hat
auch mehr gesoffen als gearbeitet. Genau wie mein Alter.« Sie sah Ben streng,
aber nicht unfreundlich an. »Ich hab einen Schuppen im Hof. Mit ’nem eisernen
Schloss an der Tür. Kannst deine Reben dort unterstellen und die Nacht da
verbringen, wenn du willst.«
    Ãœber Bens Gesicht glitt ein erleichtertes
Lächeln. »Ich danke Euch, wie soll ich das nur …«
    Â»Schon gut.« Sie winkte ab, bevor Ben zu einer
überschwenglichen Dankesrede ansetzen konnte. »Du gefällst mir. Scheinst ein
ehrlicher Kerl zu sein. Und falls es dir wirklich gelingt, gescheiten Wein
anzubauen, dann denk später mal an mich. Einen wirklich guten Tropfen hab ich
schon ewig nicht mehr in der Kehle gehabt.« Schwerfällig stand sie auf. »Satt
geworden?«
    Â»Ja, danke. Das war gut«, sagte er, obwohl er
noch Hunger verspürte, aber er konnte es sich nicht leisten, noch mehr Geld im
Wirtshaus zu lassen.
    Die Wirtin lachte, denn sie sah ihm seinen
Zwiespalt offenbar an. »Bist wohl nicht gerade verwöhnt worden an Bord.« Sie
schlurfte davon, kam wenig später mit einem Stück Braten zurück. »Hier, das ist
Kaninchen. Musste nicht bezahlen«, fügte sie hinzu, als sie sah, dass der junge
Mann zögerte.
    Das Fleisch war zart und gut gebeizt. Ben aß
erneut mit großem Appetit, denn so etwas Gutes hatte er lange nicht mehr
bekommen.
    Â»Danke nochmals.« Er legte drei Münzen auf den
Tisch. »Ich schau mich mal um in der Gegend und komme später wieder vorbei.«
    ***

 
    Als Ben aus dem Wirtshaus in den hellen
Sommertag trat, musste er kurz die Augen zusammenkneifen. Die Sonne blendete,
das Stimmengewirr im Hafen kam ihm auf einmal viel zu laut vor. Vor ihm, im
Rinnstein,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher