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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei
Autoren: Joerg Schwarz
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    |7| Einleitung
    S tadtluft macht frei – wohl jeder kennt diesen Satz. Möglicherweise ist man aber nur allzu leicht bereit zu glauben, dass die befreiende Wirkung der „Luft“ einer Stadt in erster Linie etwas mit Spaß, Abwechslung und den schier unbegrenzten Freizeitmöglichkeiten dort zu tun habe.
    Doch das ist ein Irrtum! Die Formel kommt ganz woanders her. Sie ist ein Begriff aus dem Recht, aus der Rechtsgeschichte. Und sie ist auf das Mittelalter zurückzuführen – auf das angeblich so finstere, dunkle Mittelalter, das als Klischee wohl nie aufhören wird zu existieren und das vielen unserer Tage als jederzeit widerspruchsfrei verwendbare Keule („Zustände wie im Mittelalter“) beliebig zur Verfügung steht. Stadtluft macht frei – der Satz stammt zwar nicht wörtlich aus dieser Zeit, hat aber doch nachweislich in deren Rechtsvorstellungen seine Wurzeln. Völlig zu Recht hat man gesagt: Wenn an den Stadttoren des 12. oder 13. Jahrhunderts eine Fahne aufgehängt worden wäre, die eine Devise gezeigt hätte, dann hätte die nicht treffender lauten können als eben „Stadtluft macht frei“ 1 . Der Satz hatte seine Wahrheit, allen Hindernissen und Einschränkungen zum Trotz.
    Von diesen Vorstellungen will dieses Buch berichten. Und dabei ein Bild geben vom Leben in der mittelalterlichen Stadt. Ein möglichst buntes und vielgestaltiges Bild, das die verschiedensten Bereiche aufzeigt. Zunächst geht es um die Frage, warum überhaupt Stadtluft frei machte – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Es wird berichtet über „alte“ und „neue“ Städte im Mittelalter, das heißt, über solche, |8| die aus der Römerzeit kamen und solche, die im Laufe des Mittelalters neu gegründet worden sind. Wie entstand im Mittelalter ein städtisches Bürgertum und welche Hindernisse hatte es zu überwinden? Es geht um Lenken und Regieren, Teilen und Herrschen, Überwachen und Kontrollieren – mit anderen Worten: um den Rat in der mittelalterlichen Stadt. Und um die Kämpfe zwischen den verschiedenen Gruppen in der Stadt, in den Rat hineinzukommen und dort den Ton anzugeben. Die Bürger in einer mittelalterlichen Stadt waren in vielen Fällen umgeben von einer Welt von Feinden. Man brauchte Mauern, einen schützenden Ring um das Gemeinwesen herum – und auch darum soll es gehen. Von den Wegen in die Stadt, den Wanderungen der Neubürger soll ebenso berichtet werden wie von jenen, die dort am Rande lebten, jedenfalls nicht richtig zugehörig waren, also von den Außenseitern und Randgruppen. Erzählen von der Stadt heißt also unser Thema!
    Um eine Art „roten Faden“ zu gewinnen, bedient sich unser Buch eines Tricks. Es hat sich eine Stadt ausgesucht, die bei all dem als eine Art „Leitstadt“ gelten soll. Es ist die größte Stadt Deutschlands im Mittelalter gewesen und ist eine Stadt, die jeder kennt, mit der jeder etwas verbindet: die Stadt Köln. Keine Kölner Stadtgeschichte im Mittelalter also – das wäre in diesem Rahmen vermessen – aber, wie gesagt, eine Art „Leitstadt“. Und somit fangen wir an!

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    |9| Stadtluft macht frei – warum?
    A m Anfang war die Grundherrschaft. „Grundherrschaft“ ist kein aus dem Mittelalter selbst stammender Ausdruck, sondern ein moderner Begriff. Dennoch kennzeichnet das, was der Begriff meint, eine der wichtigsten Erscheinungsformen des Zusammenlebens der Menschen im Mittelalter überhaupt. Der Begriff verweist freilich nicht auf die Stadt, sondern auf das Gegenteil von ihr, auf das Land und auf die Landwirtschaft.
    Grundherrschaft war eine Herrschaft über Land und Leute. Dem Besitzer einer Grundherrschaft gehörte nicht nur das Land, er gebot auch über die auf diesem Land lebenden Personen, die Grundholden oder Hintersassen, wobei stets eine große Bandbreite an Abhängigkeiten geltend zu machen ist. Neben Personen, die dem Grundherrn zwar formal-rechtlich unterstanden und ihm Abgaben leisten mussten, aber doch mit sehr weitgehenden Eigentums- und Verfügungsrechten das Land bewirtschaften durften, gab es auch solche, deren Freiheitsrechte praktisch nicht vorhanden waren. Die Grundherrschaft ist bereits sehr früh im Mittelalter nachweisbar; in einigen Teilen des Frankenreiches finden wir sie bereits um das Jahr 600. In den königlichen Domänen, das heißt, den Besitzungen der Merowinger – der Familie, die das Frankenreich formte – taucht sie dort erstmals auf. Dann begann ihre Erfolgsgeschichte.
    Als seit dem 11. Jahrhundert neben
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