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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option
Autoren: Annette Meyers
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  »Nur über meine
Leiche!«
    Auf diesen verbalen Ausbruch folgte ein dumpfer Schlag
von solcher Wucht, daß der vergoldete Spiegel vibrierte, als sei jemand gegen
die Wand dahinter gestoßen worden. Wetzons Augen wurden groß, als ihr Bild im
Spiegel verwackelte. Das Handgemenge — oder was es sonst war — kam aus der
Herrentoilette nebenan. Noch ein lauter Schlag, wütende Stimmen.
    Der Spiegel bedeckte die Wand fast völlig, so
daß es keinen Flecken gab, an dem sie lauschen konnte. Frustriert betrachtete
sie ihr Spiegelbild und runzelte die Stirn. »Neugier kann gefährlich sein«,
sagte sie.
    Die Tür ging auf, und eine Frau in einem
schulterfreien roten Taftkleid kam herein. Janet Barnes. Frau von Goldie
Barnes, dem Löwen der Wall Street und Vorstandsvorsitzenden von Luwisher
Brothers, zu dessen Ehren dieses Abendessen gegeben wurde. Eine riesige rote
Schleife bedeckte Janets üppigen Busen und fast den ganzen rechten Arm. Sie
rauschte an Wetzon vorbei zu den Kabinen.
    Dann setzten plötzlich die lauten Stimmen und
das Gerangel wieder ein. Und Wetzon vernahm das leise Grollen einer weiteren
Stimme.
    Hastig nahm Wetzon ihre winzige, seidene
Handtasche mit dem Schnappverschluß und huschte hinaus. Gefährlich oder nicht,
sie mußte sehen, wer das war.
    Sie stellte sich unauffällig hinter eine dicke
rosa Marmorsäule und behielt die Tür zur Herrentoilette im Auge in der
Hoffnung, die Männer nicht bereits verpaßt zu haben. Neugierig, Wetzon, schalt sie sich und grinste. Gleich darauf wurde sie durch das Erscheinen des
alten Herrn persönlich entschädigt. Goldie Barnes kam aus der Herrentoilette,
das Gesicht rot vor Zorn, die Brust in heftiger Bewegung unter dem weißen,
gefältelten Smokinghemd. Auf den Fersen folgte ihm Neil Munchen, Goldies
Schützling, der für das Telemarketing — Phantasiename für Kundenwerbung über
Telefon - bei Luwisher Brothers verantwortlich war. Neil hatte einen schwachen
rötlichen Striemen auf der Wange. Sie entfernten sich in der entgegengesetzten
Richtung von Wetzons Säule, auf den prächtigen Ballsaal zu. Sie war noch
unschlüssig, ob sie hinter ihnen hergehen sollte, da kamen aus der Herrentoilette
Christopher Gorham, Leiter der anderen Privatkundenabteilung bei Luwisher
Brothers und Wetzons Begleiter an diesem Abend, John Hoffritz,
geschäftsführender Direktor, dem Chris und Neil unterstellt waren, in
Maklerkreisen unter dem Spitznamen »Search« bekannt, und Destry Bird, der
Dritte im Bunde, nicht ganz so freundlich »Destroy« genannt.
    Höchst sonderbar. Irgendein Palaver hatte in der
Herrentoilette stattgefunden, und es hatte alles andere als freundschaftlich
geklungen.
    Die drei Männer, wie drei Pinguine in ihren
Smokings, blieben vor der Tür stehen. Wetzon brannte darauf, etwas
aufzuschnappen, und rückte ganz langsam um die Säule herum. Dann öffnete sich
die Tür der Herrentoilette wieder, und wie aus einem Zirkuswagen voller Clowns
tauchte noch eine Gestalt auf — ein Mann wie ein Walroß, dick und watschelnd,
mit schiefer Fliege. Wetzon kannte ihn nicht. Als hätten sie auf ihn gewartet,
öffneten die Pinguine ihren Kreis, um das Walroß aufzunehmen. Es wurde immer
merkwürdiger.
    »Zuckerstück, da bist du!«
    Verflixt. Das mußte ja kommen, daß Smith
hereinplatzte, sie beim Lauschen störte und sogar noch die Aufmerksamkeit auf
sie lenkte.
    »Warum versteckst du dich hinter der Säule?«
    Die drei Pinguine nahmen Haltung an, wachsame
Augen in erstarrten Gesichtern, und das Walroß machte sich unauffällig, als
Smith Wetzons Hand packte, sie hinter der rosa Marmorsäule vorzog und den
Blicken aussetzte.

  »Wohin um Himmels willen bist du
verschwunden?«
    Xenia Smith, groß, schlank und strahlend in
ihrem glänzenden goldenen Carolyne-Roehm-Kleid, war die andere Hälfte von Smith
& Wetzon, der Personalberatungsfirma, die die zwei Frauen vor sechs
Jahren gegründet hatten. »Weißt du nicht, daß man einen attraktiven Mann wie
Chris Gorham nie allein lassen sollte?«
    Hatte Smith Chris nicht in der Gruppe vor der
Herrentoilette bemerkt? Offenbar nicht.
    »Genaugenommen«, sagte Wetzon ironisch, »bin ich
Chris gefolgt, damit sich keine andere Frau an ihn heranmachen kann. Jetzt hast
du alles verdorben. Hast du ihn denn nicht gerade aus der Toilette kommen
sehen?«
    Smith schaute Wetzon verdutzt an. »Das würde ich
nicht tun, wenn ich du wäre, Wetzon. Die Leute werden denken, mit dir stimmt
was nicht, und sie hätten recht.«
    »Ach laß, Smith, es
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