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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
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Hälfte der Fenstervierecke hell, erleuchtet wie ein abgebrochenes Spiel in der Düsternis.
    »Können wir nicht irgendwohin gehen?« Ihr Gesicht war verquollen, gerötet. »Du könntest einen Kaffee trinken.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Baby. Dies hier ist das letzte Kapitel. Wir wussten, dass es kommen würde. Wir müssen stark sein. Wenn man eine Liebe wie diese findet, muss man stark genug sein, um sie zu ertragen. Eine Liebe wie unsere ist teuer. So kannst du es dir vorstellen. Und wir bezahlen dafür mit den leeren Tagen, die jetzt kommen. Ich weiß, dass du das schaffst. Ich habe das immer gewusst.«
    Sie nickte und sah auf den Rucksack zwischen ihren Füßen.
    »Du weißt, was du tun musst, wenn sie weggezogen sind, oder?«
    »Ja.«
    »Sag es mir.«
    »Ich sage dem Sicherheitsmann, dass ich im September weggelaufen bin, aber ich bin zurückgekommen, und ob er mir helfen kann, meine Mutter zu finden.«
    »Und du bist stark und schön. Sag es.«
    »Ich bin stark und schön.«
    »Und du weinst nicht, wenn du es sagst. Du bist vollkommen gefasst und ruhig.«
    »Ja.«
    »Du weißt, dass ich nicht stehenbleiben kann«, sagte er, als sie noch einen Block entfernt waren.
    »Ich weiß.«
    Er zeigte nach vorn, dann nahm er wieder ihre Hand. »Da vorne halte ich. Für zwölf Sekunden, und du springst raus, nimmst den Rucksack und gehst.«
    »Ist gut.«
    »Gut. Bist du so weit?« Sie brauchten keine zehn Sekunden.
    »Warte.«
    »Jetzt ist es so weit. Ich kann dich hier nicht küssen.«
    Sie nahm die Baseball-Mütze vom Kopf und hielt sie ihm hin. »Nimm sie, das ist deine.«
    »Es ist so weit. Mach’s gut, Tommie.«
    Sie machte die Tür auf und sprang aus dem Auto, zitternd in ihrem Fleece und unglaublich hell in dem ganzen Grau um sie herum. Sie zog den Rucksack hinter sich her, es war vorbei. Sie blieb an der Ecke stehen und sah zu, wie David wieder auf die Fahrspur steuerte und über die gelbe Ampel fuhr. Im nächsten Moment fing sie an zu rennen, hinter seinem Auto her, in ihren Stiefeln, den Rucksack hinter sich her schleifend, allein auf dem nassen Gehweg. Ein paar Autos fuhren vorbei, wurden aber nicht langsamer. Er hörte sie nicht, er sah nur ihr kleiner werdendes, blass-weißes, von Weinen verzerrtes Gesicht, ein unregelmäßiges Auf- und Abwippen in seinem Rückspiegel.

Informationen zum Buch
    Eine kleine Straßenszene: eine Gruppe halbwüchsiger Mädchen. Ein älteres schikaniert ein jüngeres. Sie solle den Alten da vorn doch mal um ein paar Zigaretten angehen. Tommie ist ungefähr elf, hat Sommersprossen und trägt falsche Wimpern, und als David Lamb ihr, statt die Zigaretten rauszurücken, ein gefaktes Kidnapping vorschlägt, um diesen Gören mal ein bisschen einzuheizen, willigt sie ein.
    Lamb ist ein Mann in mittleren Jahren. Er ist ausgelaugt und einsam, kämpft sich durch den Alltag, seine Frau hat ihn verlassen, der Vater, um den er sich fürsorglich kümmerte, ist tot. Lamb fährt Tommie nach Hause. Trist ist es dort. Dass sie sich wieder sehen, ist zunächst Zufall. Bald aber redet Lamb sich ein, er könne Tommie eine andere Vorstellung von Leben nahebringen, wenn er ihr die wilde, erhabene Schönheit der Rocky Mountains zeige. Will er ihr helfen? Belügt er sich selbst?
    Tommie schwankt zwischen Vertrauen und Verletzlichkeit, sie fühlt sich angenommen und dann wieder ausgeliefert. Eine Ahnung von Liebe entsteht, aber auch eine Dynamik von Anziehung und Bedürftigkeit, Grenzüberschreitung und Manipulation, die sich der Kontrolle beider zunehmend entzieht ...

Informationen zur Autorin
    Bonnie Nadzam studierte Englische Literatur und Umweltwissenschaften am Carlton College und wurde von der University of Southern California promoviert. Sie hatte Gedichte und Kurzprosa in verschiedenen Zeitschriften publiziert, bevor ihr erster Roman ›Lamb‹ von der Presse hoch gelobt und mit dem Flaherty Dunnan First Novel Prize 2011 ausgezeichnet wurde.
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