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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
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»hier.«
    »Im Auto?«
    »In dem Motel da.«
    »Dir geht es nicht gut, oder?«
    »Doch, einigermaßen.«
    »Wir bleiben hier so lange wie nötig, einverstanden? Ich will dich gesund abliefern. Ich bringe dich deiner Mutter gesund an Leib und Seele zurück, ja? Unsere Geschichte verlangt das.«
    »Stimmt.«
    In dem kühlen, klammen Motelzimmer schlug Lamb das Bett für das Mädchen auf und legte die Kissen zurecht, während sie duschte, und als sie zitternd und nur mit dem kleinen weißen Handtuch bedeckt herauskam, hob er sie nass und nackt, wie sie war, hoch, legte sie ins Bett und deckte sie zu.
    »Gut«, sagte er und gab ihr die Fernbedienung für den Fernseher. »Ich bin gleich zurück.«
    »Wohin gehst du?«
    »Ich hole uns etwas gegen Erkältung und eine Suppe von dem Jewel-Supermarkt da drüben, und dann suchen wir uns einen schönen alten Film aus, oder wir machen uns über die Nachrichtensprecher lustig, bis wir uns satt gegessen haben und einschlafen, einverstanden?«
    »Ist gut.«
    »Gut. Was für eine Suppe?«
    »Heiße Suppe.«
    »Scharf?«
    »Nein, bitte nicht.«
    »Du möchtest gern was mit Nudeln, oder?«
    »Ja.«
    »Also Nudeln und was gegen Erkältung und Kissen und Fernsehen und Schlaf. Wer will das nicht? Und morgen früh Spiegeleier und Kaffee.«
    »Gary?«
    »Ja, Liebes.«
    »Ich fühle mich gar nicht mehr krank.«
    »Wir verordnen dir Suppe und Hustensaft und Schlaf, damit du wieder richtig zu Kräften kommst. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Wir wollen nicht, dass du einen Rückfall hast.«
    »Nein.«
    »Tom?«
    »Ja.«
    »Wenn ich zurückkomme« – er zeigte auf das Bett –, »kann ich mich da hinlegen? Neben dich?«
    »Ehem.«
    »Ich wollte mir nichts anmaßen.«
    Sie verdrehte die Augen und grinste. »Ich suche was im Fernsehen.«
    »Bin gleich zurück, Liebes.«
    * * *
    Stell dir vor, du liegst im Bett. In dem alten schmalen Bett zu Hause. Die Laken ein bisschen verknautscht und weich und kühl. Die Beine rein und kräftig. Die Schultern leiten über zum Rücken, verschmelzen damit. Gut so? Sagen wir, du liest ein Buch. Es gleitet dir weg, vielleicht auf die Knie, oder auf die Satinborte der cremeweißen Decke. Draußen rauschen die Autos vorbei. Du machst einfach Pause, ruhst ein bisschen aus, sammelst neue Kräfte. Du kannst kaum die Schrift auf der Seiteentziffern. Denn in Wahrheit spürst du ein kaltes, leeres Ziehen tief in deinem Herzen. Alles drumherum ist Metall. Dein Körper fühlt sich irgendwie leer an. Er möchte meine warmen Arme und Beine neben sich haben, richtig? Er sehnt sich nach dem alten, offenen Himmel vor den Fenstern unserer Schlafkammer. Er sehnt sich nach dem Fluss und dem sanften Zwitschern der Ziegenmelker, die in den Bäumen hocken, er sehnt sich nach den Grassamen in deinem Haar und deinen weißen Söckchen. Er sehnt sich nach der Wärme des Frühstücksfeuers am Morgen, das deine Brust wärmt, deine Unterarme und Schultern, das alle Poren in deinem Gesicht öffnet und sich in deinen Augen spiegelt. Die frische Brise kühlt dir den Rücken. Der Geruch von Salbei und Schneegeruch im Wind. Deine Hände um den Metallbecher mit Kaffee. Du bist in deinem kleinen grauen Zimmer in der Stadt, mir abhandengekommen. Tausend Meilen entfernt. Das Stockbett und der Stacheldrahtzaun und die Blaumeisen. Und du drehst dich auf dem Kissen um und fragst dich, ob ich eigentlich wirklich war? War alles ein Traum?
    In deinem Herzen wird eine furchtbare Schönheit wohnen. Eine Wunde darauf wie ein Siegel. Wie ein weicher, bunter Film wird sie über der zersplitterten, harten Stadt liegen. Auf deinem Gesicht liegt das Gesicht, das du hattest, als du mit mir in den Bergen warst. Ein helleres Gesicht, jünger, weicher, in dem sich das Wetter spiegelt. Du wirst Bücher lesen – kleine Taschenbücher – und nach Sätzen suchen, die die Wunde lebendig halten. Du musst sie auch lebendig halten. Vergiss niemals diesen Schmerz. Vergiss niemals, was du mit mir zusammen gesehen hast. Es wird dich retten. Du wirst sein wie ein Apfelbaum inmitten der aschfarbenen Häuser der steinernen Stadt. Schließe deine Augen. Wende dich von dem Buch in deinem Schoß ab, wende dich von den Geräuschen der Menschen um dich herumab. Atme tief und langsam ein. Hör mal. Was du hörst, ist der Wind, der durch den Eschen-Ahorn vor unserem Fenster rauscht. Das ist mein Flüstern. So werde ich bei dir sein.
    * * *

Am Morgen verließen die beiden das Motel noch vor Sonnenaufgang. Die Straße war
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