Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
Vom Netzwerk:
beugte sich ins Innere vor und winkte. »Schön, dass wir uns kennengelernt haben, Emily. Hoffentlich geht es dir bald besser.«
    Sie sah den Mann in der Tür an, sagte aber nichts.
    Emory Foster schob den Schneepflug vom Fahrweg auf die Straße und in die Pracht des frühen Wintereinbruchs. Lamb beugte sich zu dem Mädchen hinunter und fragte, ob sie einen Kakao haben wolle und ob in der Werkstatt das Feuer noch brenne. Linnie saß regungslos auf dem Bett, während Lamb sich Stiefel anzog und mit Tommie nach draußen ging. Als er schon auf der Schwelle war, drehte er sich um.
    »Möchtest du auch Kakao, Linnie?«
    »Klar. Nein. David?«
    »Ich bin gleich zurück. Es ist eine etwas seltsame Situation, aber es geht allen gut, und gleich erzähle ich dir alles. Ich will nur sehen, was das mit dem Bauchweh auf sich hat und ob sie Fieber hat. Sie hatte eine Magenverstimmung. Ich wollte nicht, dass du eine bekommst.«
    »Du hast nichts erzählt.«
    »Ist alles in Ordnung. Es geht allen gut. Ich komme gleich zurück.« Und er zog die Tür hinter sich zu und ging mit Tommie in die Werkstatt.
    Und sie hatten keine Minute für sich – weder David und Linnie noch Linnie und das Mädchen. David erklärte, er müssedas Mädchen wirklich zu seiner Mutter zurückbringen, das Fieber sei zwar zurückgegangen, aber sie sei noch nicht wieder gesund, und statt dass sie die Tage mit Fischen und Zelten verbrachten, waren sie eingeschneit. Ihr Vater – mein kleiner Bruder Nel, erklärte er – war schon vor Jahren gestorben, und Lamb hatte es übernommen, hin und wieder die Vaterstelle bei ihr zu vertreten.
    »Hat die Mutter nie wieder geheiratet?«
    »Sie hat es einmal versucht – zweimal sogar –, aber es ist nicht gut gegangen.«
    »Traurig.«
    »Das ist es. Nel hätte dir gefallen.«
    »Wie viel jünger als du war er?«
    »Vier Jahre.«
    »Ach.«
    »Und er war blond.«
    »Es tut mir leid, David, ich wusste das nicht.«
    »Wir verlegen das auf ein andermal … auf den Jahresanfang, du und ich. Wir mieten uns ein Fahrzeug mit großen Rädern und kommen wieder her, einverstanden? Fahren durch drei Meter hohen Schnee.«
    »Das wäre wunderbar.«
    »Jetzt gerade ist es schlecht: Emily ist krank, Fosters Frau ist plötzlich gestorben, und jetzt überraschend der Schnee. Lass uns nach Hause fahren. Ich bringe das Mädchen zu seiner Mutter zurück.«
    »Nach Chicago?«
    »Nach Michigan. Muskegon.«
    »Ach so.«
    »Ihre Mutter hat sie nach Chicago gebracht, aber ich bringe sie jetzt nach Hause.«
    Linnie nickte.
    »David.«
    »Lin.«
    »Warum die Geschichte? Von dem Mädchen, das verschwunden ist?«
    Er reckte das Kinn und setzte ein schmallippiges Lächeln auf, als wollte er die Welt davon überzeugen, dass er wirklich lächelte und nicht im nächsten Moment wieder losweinen würde wie ein kleiner Junge. Davon hatten sie jetzt genug gehabt.
    »Jetzt, wo wir uns … du weißt schon … näher sein können, erfährst du auch mehr von meiner Familie.«
    »Und du von meiner«, sagte sie. »Aber ich verstehe es trotzdem nicht.«
    »Hab Geduld mit mir, Lin. Bitte. Das wünsche ich mir von dir.«
    Sie schwieg einen Moment lang und musterte ihn. Er lächelte.
    »Entschuldige mich einen Moment, ja?«
    Lamb ging in die Werkstatt und half dem Mädchen beim Packen, während Linnie ihr Auto belud.
    * * *
    »Wir haben den Nachmittag zusammen«, sagte er zu Tommie.
    »Wirklich?«
    »Und die Nacht. Und Morgen. Und den nächsten Tag. Das ist unser letzter.«
    »Drei Tage?«
    »Am zwanzigsten Tag bist du wieder zu Hause. Das ist fast viermal so lange, wie wir anfangs gesagt haben.«
    »Ich weiß.«
    »Verzeihst du mir?«
    »Ich wollte doch bleiben.«
    »Du meinst, es war nicht meine Idee?«
    »Es war unsere Idee.«
    »Gleich zu gleich?«
    »Gleich zu gleich.«
    »Gut. Pass auf, Süße. Noch eine Stunde, dann ist sie weg. Du bleibst, wo du bist, und ich ziehe mich an.«
    Während Lamb, die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, Linnies Mietwagen belud und den Luftdruck auf den Reifen und den Ölstand prüfte, ging Linnie in die Werkstatt, suchte in der Kühltasche nach etwas Essbarem für die Fahrt, steckte einen Little Debbie Cake und eine Dose Ananassaft in ihre Tasche, ging zur Tür der Schlafkammer und blieb einen Moment davor stehen. Nur für einen Moment. Dann ging sie zu dem Holzofen und rieb sich die Hände, bevor sie wieder nach draußen ging, zu Lamb, der in der Einfahrt stand; sie legte ihm von hinten die Arme um die Mitte und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher