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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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und Mia Schlosser« stand auf dem Klingelschild, das eine heile Welt versprach, die für Mias Eltern jedoch zerbrochen war.
    Nachdem seine Tochter eines Tages von zu Hause weggelaufen war, hatte Mias Vater sie vermisst gemeldet. Da sie jedoch volljährig war und die Suche nichts ergeben hatte, gab die Polizei die Akte schließlich zu den ungelösten Fällen. Ihre Eltern hatten ihre Tochter nicht lebend wiedergesehen. Wenigstens mussten sie nun nicht mehr mit der dauernden Ungewissheit leben, was Mia zugestoßen war.
    Ich hob die Hand und drückte auf den Klingelknopf. Ein melodischer Dreiklang ertönte. Ich atmete tief durch. Keine Ahnung, was mich hinter dieser Tür erwarten würde. Ich hatte lange gezögert, ob ich die Schlossers aufsuchen sollte, aber schließlich entschied ich mich dafür. Das war ich Mia schuldig. Ihr und Jaron, der seine Mutter nur anhand von Fotos kennenlernen würde.
    »Daaaaaa!«, begrüßte mich der Kleine strahlend, als Mias Mutter die Haustür öffnete. Sie war eine mollige Frau Anfang fünfzig mit blonden Haaren, die allerdings kurz und glatt, und ein wenig dunkler als die von Mia waren. Jaron thronte auf ihrem Arm und ich staunte, wie groß er in den drei Monaten geworden war, die ich ihn nicht gesehen hatte. Sein strahlender Blick war unverändert und immer noch waren es Zenos Karamellaugen, die mich ansahen. Ein feiner Stich fuhr kurz durch mein Herz.
    »Hallo, Frau Schlosser. Ich bin Feline, wir haben telefoniert«, sagte ich leise.
    Sie gab mir die Hand, doch das Lächeln konnte die Trauer in ihren Augen nicht verscheuchen. Hinter ihr tauchte Mias Vater auf, ein grauhaariger schmaler Mann mit blauen Augen. Er nickte mir zu.
    Plötzlich befiel mich die Angst, es könnte ein Fehler gewesen sein hierherzukommen. Was hatte ich den beiden denn zu geben? Ihre Tochter war tot und niemand konnte sie ihnen zurückbringen. Nun stand ich aber bereits im Flur und Jaron streckte jauchzend seine dünnen Ärmchen nach mir aus. Ich zwickte ihn sanft in eine seiner Pausbacken und er quietschte vergnügt. Ob er mich wiedererkannte?
    »Kommen Sie doch rein, Feline. Ich habe Tee gemacht, oder möchten Sie lieber Kaffee?« Auch Frau Schlosser wirkte nervös.
    »Tee ist prima, vielen Dank«, erwiderte ich und folgte ihr in einen Raum mit großen Fenstern und hellen Korbmöbeln.
    Alles wirkte freundlich und heimelig. Ich war erstaunt, denn das Wenige, was Mia mir über ihre Eltern erzählt hatte, passte so gar nicht zu den beiden stillen Leuten in dem gemütlichen Haus. Da fiel mir ein, wie ich in der Zeit, die ich in der Oase gewesen war, über meinen Vater gedacht und gesprochen hatte. Und Zeno hatte das raffiniert benutzt und während der Sessions noch weiter Öl ins Feuer gegossen. Alles, damit sich in unseren Köpfen das Bild einer feindlichen Welt außerhalb der Oase manifestierte und keiner der Bewohner mehr den Wunsch nach einem anderen Leben als dem in der Kommune verspürte.
    Mias Mutter goss dampfenden Tee in eine zarte Porzellantasse mit Rosenmuster.
    »Am Anfang habe ich mir nichts dabei gedacht, als Mia mal über Nacht wegblieb. Schließlich war sie ja volljährig«, sagte Frau Schlosser unvermittelt und blickte aus dem Fenster. Vielleicht sah sie ihre Tochter dort draußen, die sich immer weiter von zu Hause entfernte. »Aber dann hat sie plötzlich gesagt, sie zieht aus. Angeblich in eine WG . Sie hat ihre Klamotten gepackt und ist einfach verschwunden, ohne eine Adresse zu hinterlassen.«
    Jetzt sprudelte es nur so aus Mias Mutter heraus. »Ich habe angenommen, sie hätte einen Freund und wollte zu ihm ziehen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es sich dabei um eine Sekte handelte. Sie war immer so … selbstbewusst. Ich hätte nie geglaubt …«, sie stockte und holte hastig Luft.
    »Ich war ja zuerst auch von der Idee einer freien, unabhängigen Kommune begeistert«, gab ich zu. »Wissen Sie, in der Oase haben alle irgendwie immer so zufrieden gewirkt. Ich dachte, vielleicht haben sie den Sinn in ihrem Leben gefunden. Das wollte ich auch.«
    »Sich mit selbst angebautem Gemüse und Obst zu versorgen und autark zu leben, ist an sich nicht verkehrt. Aber dieser Zeno und seine Mutter haben euren Wunsch nach einer heilen Welt ausgenutzt. Sie haben euch ausgebeutet und seelisch abhängig gemacht«, warf Mias Vater unvermittelt ein.
    Ich starrte ihn überrascht an.
    »Wir haben uns inzwischen über Sekten informiert«, erklärte Mias Mutter und fügte traurig hinzu: »Leider zu spät.«
    Ich
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