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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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uns an den Karren fahren zu können«, warf er mir hin. Doch damit konnte er mich nicht mehr treffen. Nun hielt ich alle Trümpfe in der Hand.
    »Ich hoffe es nicht, ich
weiß
es«, lächelte ich. »Ich habe schließlich die Kamera im Wandfach gesehen.«
    Einen Augenblick zuckte es in Zenos Gesicht und seine Maske der Überheblichkeit bröckelte. Aber nur kurz, ehe er lächelnd sagte: »Niemand wird dort etwas finden!« Er glaubte wirklich, er hätte alles im Griff. Ich hatte Mühe, ihn nicht anzuschreien, sondern meine Stimme weiterhin unbeteiligt klingen zu lassen.
    »Das ist auch nicht nötig. Ich habe nämlich einen interessanten Film mit dir und Urs auf deinem Notebook gefunden. Und ihn als Attachment an meine Mailadresse geschickt.«
    Zenos siegessicheres Lächeln erlosch in dem Augenblick, als Wiesmüller aus seinem Büro trat.
    »Zu dumm, dass du den Teil, als Deva ins Zimmer kommt und von Mias Leiche spricht, nicht rausgelöscht hast. Dabei sind diese Computer-Schnittprogramme inzwischen kinderleicht zu bedienen«, fügte ich zuckersüß hinzu. Mit einer gewissen Schadenfreude beobachtete ich, dass er seine Gelassenheit schlagartig verlor und hörbar nach Luft schnappte.
    »Du bluffst«, keuchte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Die Polizisten haben die Aufnahme inzwischen gesehen – und die ist der Beweis, dass du in der Sache mit Mia drin hängst. Genau wie deine Mutter. Aber das wird der Kommissar dir ja gleich persönlich bestätigen«, machte ich klar. Wiesmüller nickte.
    Zeno starrte mich an. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er sagte kein Wort mehr, doch in seinen Augen las ich, dass er wusste: Er hatte verloren.
    Während des Wartens auf meinen Vater musste ich auf der harten Bank des Polizeipräsidiums eingenickt sein, denn im Traum stand ich plötzlich wieder auf dem Platz der Oase. Diese hatte sich innerhalb weniger Stunden in ein Geisterdorf verwandelt. Kein Stein stand mehr auf dem anderen, die Häuser waren eingestürzt, Ziegel und Steine lagen wüst durcheinander. Nur noch die Fundamente der Gebäude waren heil. Ich ging näher ran, unter den Sohlen meiner Turnschuhe knirschten Scherben. Und dann waren sie auf einmal da. Kali, Lukas, Bidu, Irina, Juli und die anderen tauchten aus den Steinruinen auf und kamen langsam auf mich zu. Sie warfen lange, schwarze Schatten, die nach mir zu greifen schienen, noch ehe sie mich erreicht hatten. »Verräterin«, hallte es hohl durch die Ruinen. Die Front der Oasianer rückte näher, während sie immer weiter »Ver-rä-te-rin!« skandierten, wie einen Schlachtruf. Sie wollten Rache. Ich wollte weglaufen, doch meine Füße schienen am Boden festgewachsen zu sein. Als ich hinunterblickte, sah ich, dass ich im Moor feststeckte. In diesem Moment ertönte das Quietschen von Reifen: Deva kam mit ihrem Rollstuhl auf mich zugefahren. Auf ihrem Schoß lagen mehrere Tabletten. »Vitamine, Feline. Nimm sie, damit du wieder zu uns gehörst. Oder willst du enden wie Mia?« Damit griff sie nach einer Handvoll Kapseln und streckte sie mir entgegen wie eine Opfergabe. Immer näher rollte sie, während die Räder ihres Rollstuhls quietschten …
    Mit einem Ruck fuhr ich hoch und riss die Augen auf. Ich saß nach wie vor im hell erleuchteten Flur der Polizeistation. Die drohenden Schemen der Kommunenbewohner waren verschwunden, das quietschende Geräusch jedoch nicht. Als ich den Kopf drehte, rollte Deva, geschoben von Zeno und flankiert von Wiesmüller und seinen Kollegen, den Gang entlang, wobei sie heftig auf den leitenden Beamten einredete. Das Grüppchen war inzwischen nah genug, dass ich verstehen konnte, was sie sagte.
    »Ich muss zurück, mein Enkel braucht mich. Er ist an mich gewöhnt, ich muss ihn versorgen!« Sie redete von Jaron.
    Ich dachte an den Kleinen mit seinen blonden Löckchen und den lustigen braunen Augen und fragte mich, ob wohl Irina oder Kali gerade in der Oase bei ihm waren. In einem Anflug von schlechtem Gewissen, weil ich dafür gesorgt hatte, dass Jaron nun ohne seine engste Bezugsperson aufwachsen musste, kauerte ich mich auf meiner Bank zusammen und zog die Knie an. Am liebsten wäre ich unsichtbar gewesen, doch weder Zeno noch Deva beachteten mich. Wiesmüller war stehen geblieben.
    »Auch wenn dieser junge Mann, Urs, ein Geständnis abgelegt hat, was das verschwundene Mädchen betrifft – wir werden Sie und Ihren Sohn vorläufig hierbehalten. Ihnen wird Strafvereitelung nach Paragraf 258, Absatz eins, Strafgesetzbuch
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