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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman
Autoren: Libba Bray
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KAPITEL EINS
    In dem ich mich selbst vorstelle
     
    Der schönste Tag in meinem Leben war der, als ich in
Disney World
fast gestorben wäre. Da war ich fünf.
    Jetzt bin ich sechzehn, und du kannst dir vorstellen, dass mir das ne Menge extrem beschissene Tage beschert.
    Karrieretage, zum Beispiel. Ich kann’s nicht glauben! Müssen wir wirklich ganze sechs Stunden unseres Highschooljahres opfern, damit uns irgendwelche »Lebensberater« all die Jobs aufzählen, denen wir später sechzig Stunden die Woche widmen dürfen? Gibt’s einen vernünftigen Grund dafür, Völkerball zu spielen, Pep Rallyes abzuhalten, sich Limowerbespots reinzuziehen, in denen sich diese geleckten Parker-Day-Visagen aus dem Bräunungsstudio in Szene setzen? Ich frag dich: Brauchen wir das?
    Aber zurück zum schönsten Tag meines Lebens, zu Disney und meinem Nahtoderlebnis.
    Ich weiß, was du denkst.
What The Fuck
, was soll der Scheiß? Wer stirbt schon in
Disney World
? Dort wimmelt’s von durchgedrehten Teetassen und Märchenprinzessinnen und breitärschigen Backenhörnchen, die herumlaufen und winken, als ob’s für Riesenplüschtiere das Normalste auf der Welt ist, lebendig zu werden und für Schnappschüsse zu posieren. Undsoweiter. Ernsthaft!
    Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern. Wie gesagt: Ich war fünf. Ich weiß noch, es war heiß. Irre heiß. Die Artvon Hitze, die Leute ohne Murren dazu bringt, sich für eine Flasche Wasser ihre Lebensversicherung auszahlen zu lassen. Und so landeten wir schließlich bei der unterirdischen
Small World
-Fahrt, dort also, wo’s mich fast erwischt hätte – an dem Ort, wo Amerika seinen Spaß haben will.
    Keine Ahnung, ob du jemals die
Small World
-Fahrt mitgemacht hast. Falls ja, kannst du dieses Kapitel überspringen. Ganz ehrlich, du würdest meine Gefühle nicht verletzen, und ich würde den andern Leuten, die das lesen, auch nicht erzählen, was du für ein Arschloch bist.
    Wo war ich?
    Ach ja. Viel mitzuteilen, kaum Zeit zu verweilen. Small World. Letzten Endes.
    Also,
Small World
-Fahrt. Kurze Zusammenfassung: Arschlahmes Rumstehen in einer unglaublich lahmarschigen Warteschlange. Dann wirst du in einen dieser Schwimmkähne verfrachtet und auf einem Fluss ausgesetzt, der sich durch eine computergesteuerte Unterwelt lächelnder Roboterkids aus allen möglichen Ländern schlängelt. Sämtliche Figuren nudeln in ihrer jeweiligen Muttersprache einen extrem peppigen Song ab, der einem ins Ohr kriecht.
    Hab ich erwähnt, dass die Fahrt ungefähr zehn Minuten dauert? Dass sie alle das gleiche Lied singen? In Englisch, Spanisch, Suaheli und Japanisch?
    Ungelogen: Ich hab’s geliebt. »Alter«, hab ich zu mir gesagt, »das ist
der Hammer
!« Oder so ähnlich, was man halt mit fünf so sagt. Und ich wollte einfach in diesem neuen Utopia singender Kids aus aller Welt leben. Mit ein bisschen Glück würden mir die mexikanischen Kinder einen ihrer Feiertagssombreros überlassen. Und die lächelnden Schweden würden mich mit ihren glücklichen nordischen Volkstänzen begrüßen.
Välkommen
allerseits. Ich würdeauf einem wuscheligen rosaroten Kamel durch ein nicht näher genanntes Land des Mittleren Ostens reiten (eben jenes mit den wuscheligen rosaroten Kamelen) und mit den Can-Can-Tänzern im Schwulenpark das Tanzbein schwingen.
    Bonjour.
    Bienvenido.
    Guten Tag.
    Jambo.
    Die drei Menschen, die meine Welt bedeuteten, waren bei mir – Mom, Dad, Jenna, meine Zwillingsschwester. Und einen verrückten Augenblick lang waren wir froh und munter und lachten zusammen und erlebten etwas gemeinsam – und es stimmte einfach alles. Vielleicht war das zu viel des Guten. Weil ich plötzlich in Panik geriet.
    Ich weiß nicht genau, was da in mir vorging, aber gerade als wir um Island herumkurvten, fuhr es mir in den Kopf, dass das hier das Jenseits sein müsse. Klar, ich hatte einen Hitzschlag und so viel Süßkram genascht, dass es für ein Koma reichte – aber, glaub mir, auf unheimliche Weise ergab das Ganze einen Sinn. Vielleicht hatte es auch was mit meiner Mutter zu tun. Sie unterrichtete damals Altenglisch, mit Schwerpunkt Mythologie, an der Uni und würzte ihre Gutenachtgeschichten gerne mit Häppchen über Walhall oder Ovid oder über den Fluss Styx, der in die Unterwelt fließt, und mit anderen fröhlichen Beigaben für süße Träume.
    Was immer auch dahintersteckte, ich war überzeugt, dass diese Fahrt ins Jenseits führte. Ich würde, für immer von meiner Familie getrennt, in irgendeinem Teil
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