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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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zum Zweck gewesen war. Genauso hatte er auch Mia, Aryana und alle anderen an sich gebunden. Geschickt machte er seine Zuneigung dabei jedoch von der Leistung abhängig, die jedes Mitglied erbrachte.
    »Ich habe ein paarmal aufgemuckt, aber mir wurde systematisch eingeredet, meine Meinung, Wünsche und Kritiken seien falsch. Zum Schluss habe ich den Mund gehalten, weil ich gedacht habe, ich würde mir selbst und der Gemeinschaft schaden«, gab ich zu und traute mich kaum, Mias Eltern in die Augen zu sehen.
    Ich schämte mich im Nachhinein, auf Zenos Taschenspielertrick, mir den Puls zu fühlen und zu behaupten, er könne daran erkennen, was ich dachte, hereingefallen zu sein. Auf diese Weise hatte er Kontrolle ausgeübt und gleichzeitig den allwissenden Guru gespielt.
    Ich sah Urs, Aryana und die anderen vor mir und wie sie an Zenos Lippen gehangen hatten, um jedes Wort von ihm förmlich aufzusaugen. Ich war anfangs keine Ausnahme gewesen. Gleichzeitig hatten er und Deva in die Seele jedes Einzelnen die Furcht vor der Welt außerhalb der Oase gesät.
    »Vielleicht hat Mia sich zuerst einfach nicht getraut, die Gruppe zu verlassen«, versuchte ich ihrer Mutter zu erklären. Genau wie Mia und ich hatten die meisten Oasenbewohner ja jeglichen Kontakt zu Familie und ehemaligen Freunden abgebrochen. Sie wären da draußen also völlig alleine gewesen, daher nahmen sie lieber alle Nachteile der Oase in Kauf.
    Mit einem Gefühl der Beschämung dachte ich daran, wie auch ich im Wald fast umgedreht und zur Oase zurückgekehrt wäre, obwohl ich bereits wusste, dass Zeno und Deva gewaltig Dreck am Stecken hatten.
    Als ich Frau Schlosser das gestand, schwieg sie kurz, dann spürte ich ihre Hand auf meinem Arm. »Du hattest Glück, dass du den Absprung geschafft hast«, sagte sie.
    Unwillkürlich musste ich an die anderen Bewohner denken. Urs blieb felsenfest bei seiner Aussage, er habe Mia getötet und Zeno habe damit nichts zu tun. Das hatte ich von Wiesmüller erfahren. Zwar bewies die Aufnahme der unsichtbar installierten Kamera, dass Zeno zumindest nach Mias Tod Bescheid gewusst hatte. Es war jedoch fraglich, ob der Videofilm vor Gericht als Beweismittel zugelassen würde.
    Auch die Hoffnung, Aryana würde zur Besinnung kommen und doch noch eine Aussage machen, hatte sich zerschlagen. Kaum dass sie wieder einigermaßen laufen konnte, hatte sie versucht, aus dem Krankenhaus zu fliehen. Einer Krankenschwester, die sie aufhalten wollte, rammte sie den Geschirrwagen für das Patientenessen in den Bauch. Als zwei Pfleger die Schreie ihrer Kollegin hörten und die Flüchtende in die Enge trieben, flippte Aryana aus. Sie warf sich gegen eins der Fenster und versuchte, aus dem fünften Stock zu springen. Zum Glück waren die Scheiben bruchsicher und die Fenster ließen sich nicht öffnen. Sie wurde daraufhin in die Psychiatrie verlegt. Es war unklar, wann sie wieder herauskommen würde.
    »Ich weiß immer noch nicht, ob ich die beiden jungen Leute bemitleiden oder hassen soll«, sagte Mias Mutter leise.
    Ich konnte nur stumm nicken. Mir ging es genauso.
    Wenigstens saß Zeno in Untersuchungshaft. Fluchtgefahr, lautete die Begründung. Wiesmüller hatte sich diesbezüglich gegen Zenos Anwalt durchgesetzt, den der noch in der Nacht seiner Verhaftung angeheuert hatte.
    Deva durfte zwar in die Oase zurückkehren, hatte jedoch strenge Auflagen zu befolgen. Tatsächlich waren in ihren Privaträumen mehrere Ärztemuster Temesta gefunden worden. Dieses Mittel wirkte in geringen Dosen angstlösend und entspannend, in höherer Dosierung setzte es einen außer Gefecht. Ich war überzeugt, dass es das Zeug war, mit dem Deva mich ruhiggestellt hatte. Der watteweiche Zustand, gepaart mit einem Gefühl, die ganze Welt wäre Disneyland, war mir noch gut in Erinnerung.
    Deva bestritt, mir das Mittel verabreicht zu haben. Leider hatte sie als approbierte Ärztin das Recht, Ärztemuster und ein gewisses Kontingent an Medikamenten zu besitzen. Diesbezüglich hatte ich also nichts gegen sie in der Hand. Da ich die letzte Kapsel nicht geschluckt hatte, konnte das Mittel in meinem Blut nicht mehr nachgewiesen werden. Und sämtliche Gläser in Devas Küche waren säuberlich gespült, als die Beamten mit einem Durchsuchungsbeschluss angerückt waren. »Wenigstens ist nun klar, dass Zenos Mutter Mitwisserin war. Sie hat sich vor ihrer Verantwortung gedrückt, Mias Tod sofort der Polizei zu melden«, sagte Mias Mutter, aber ich hörte Wut und Verbitterung in
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