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Besessen

Besessen

Titel: Besessen
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PROLOG
    I n der Krankenanstalt Whispering Hills schaukelte der Patient auf seinem Stuhl langsam vor und zurück. Seine tief liegenden, fahlblauen Augen starrten blicklos auf den Fernseher, und obwohl er nicht sprach, bewegten sich seine Lippen unentwegt, als wolle er der Frau auf dem Bildschirm etwas sagen. Die Frau war eine der beiden Talkmaster der Vormittagsshow „West Coast Morning“.
    Sie hieß Kaylie, und der Patient hatte sogar ein Bild von ihr. Nur noch das eine, das sie nicht entdeckt hatten, war ihm geblieben. Mittlerweile war es alt und ziemlich zerknickt, dennoch betrachtete er es jeden Abend und stellte sich vor, die Frau sei bei ihm in seinem Bett, hier in der Anstalt.
    Sie war wunderschön. Ihr langes blondes Haar umrahmte in schimmernden Locken ihr Gesicht, und ihre Augen waren blaugrün wie das Meer. Ein einziges Mal hatte er die Frau gesehen, sie berührt und ihren zitternden Körper gespürt.
    Bei dieser Erinnerung sog er tief die Luft ein und konnte fast ihr Par füm riechen.
    „Hallo! Lee, alter Knabe. Warum stellst du denn den Ton nicht an?“ Rick, ein großer schlanker Wärter, ging zum Fernseher und drehte am Lautstärkeregler. Dröhnend schallte die Musik zu einem Werbespot für Cornflakes durch das Zimmer.
    „Nein! Nein, nein!“, schrie der Patient auf und hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu. „Nein!“
    „Ganz ruhig, schon verstanden. Reg dich doch nicht so auf.“ Rick drehte den Ton rasch wieder aus. „Lee, du solltest dich ein bisschen beherrschen. Entspann dich!“
    „Kein Lärm!“, brachte der Mann mühsam hervor, und Rick seufzte auf, während er die schmutzige Bettwäsche abzog.
    „Ja, ja, ich weiß, kein Lärm. Wie jeden Tag zu dieser Zeit. Das verstehe ich einfach nicht. Den ganzen Tag über geht es dir bestens, nur vormittags während dieser Show regst du dich so schnell auf. Vielleicht solltest du dir mal ein anderes Programm ansehen.“
    Doch der Mann hörte ihm nicht zu. Er sah wieder auf den Bildschirm, auf dem Kaylie gerade in die Kamera lächelte. Seine Kaylie.
    Sie tat es nur für ihn.
    Plötzlich standen ihm Tränen in den Augen, als er sie betrachtete. Für ihn waren ihre stummen Lippenbewegungen eine Liebeserklärung. Es dauert nicht mehr lange, sagte er sich und rieb wieder mit dem Daumen über das Foto in seiner Tasche.
    Warte auf mich. Bald werde ich zu dir kommen. Bald.

1. KAPITEL
    W er ist dort?“, fragte Don Flannery barsch und umklammerte den Telefonhörer.
    „Ted.“ Die Stimme war kaum zu hören und heiser. Don konnte nicht einmal erkennen, ob sie einem Mann oder einer Frau gehörte.
    „Okay, Ted. Was gibt’s?“ Dons Lippen waren mit einem Mal wie taub. Seit Teds erstem Anruf gestern kämpfte er ständig gegen eine beinahe übermächtige Angst an.
    „Es geht um Kaylie. Sie ist in Gefahr“, sagte die Stimme.
    O nein, bloß nicht Kaylie! Schreckliche Erinnerungen überfluteten Don. „Wieso?“
    „Das sagte ich bereits. Lee Johnston wird bald entlassen werden.“ Don konnte nur mit Mühe ruhig weitersprechen. „Ich war in der Anstalt. Dort spricht niemand davon, dass er entlassen werden soll.“ Dr. Anthony Henshaw, der behandelnde Arzt von Johnston, hatte sich nur wenig über seinen Patienten geäußert. Er hatte lediglich auf seine Schweigepflicht hingewiesen und dass er die Ausgeglichenheit seines Patienten nicht gefährden wolle. Obendrein hatte er Don noch darauf hingewiesen, dass er nicht mehr Kaylies Ehemann sei und deshalb kein Recht habe, sich einzumischen. Nur weil Don die größte Sicherheitsfirma der gesamten Westküste gehöre, hätte er nicht das Recht, Unruhe in die Anstalt zu bringen oder hinter einem der Patienten herzuschnüffeln. Anscheinend hatte dieser Arzt vergessen, was Johnston Kaylie hatte antun wollen.
    Der Mann hatte Kaylie fast umgebracht, und nun musste Don sich anhören, er schnüffele hinter diesem Wahnsinnigen her. Es war eine Frechheit.
    Mit ruhiger kühler Stimme hatte Dr. Henshaw ihm mitgeteilt, dass Johnston ständig bewacht werde und Don sich keine Sorgen zu machen brauche. Obwohl Lee ein Musterpatient sei, rechne Henshaw nicht damit, dass er in nächster Zeit entlassen werde. Dann sagte er noch, er schätze, Johnston würde für absehbare Zeit dort bleiben.
    In Dons Ohren klang das alles etwas zu vage und keineswegs beruhigend.
    Jetzt ging Don zwischen dem Fenster und dem Schreibtisch aufund ab, wobei er das Telefonkabel bis zum Äußersten dehnte. Er fühlte sich genauso hilflos wie damals vor
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