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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade
Autoren: Kiernan Celine
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Rhythmus der Pferdehufe in einen beinahe betäubten Dämmerzustand; dann liefen Wynter unversehens die Tränen über die Wangen, während sie an Lorcan dachte. Sie vermisste ihn so schrecklich, dass es ein Gefühl war wie Zahnweh. Der Kummer um ihn kroch ihr bei jeder Gelegenheit unter die Haut, und dann konnte sie einfach nicht anders als daran denken, wie einsam er sein musste und dass sie ihm an ihrem letzten gemeinsamen Tag nicht alles gesagt hatte, was sie hatte sagen wollen. All das würde nun wahrscheinlich niemals ausgesprochen werden außer als nutzloses Geflüster am Grab eines wundervollen Mannes. Wahrlich kein Trost.
    Wieder einmal hatte der Kummer an Wynter zu nagen begonnen, als sich das Geräusch von Pferden in ihre Grübeleien drängte. Rasch zügelte sie Ozkar und lauschte aufmerksam. Die Reiter waren noch ziemlich weit entfernt, es musste eine große Gruppe sein, die schnell und laut auf der Straße unterwegs war. Wer diese Männer auch waren, sie hatten keine Angst und offensichtlich kein Bedürfnis nach Heimlichkeit.
    Leise glitt Wynter aus dem Sattel und band Ozkar an eine kleine Birke. »Ganz ruhig«, raunte sie ihm zu und tätschelte seine Nase. Dann ging sie tief in die Hocke und rannte durch die Bäume, um mit ein bisschen Glück rechtzeitig die Straße zu erreichen und einen guten Aussichtspunkt zu finden, bevor die Männer vorbeigeritten waren.
    Sie schaffte es gerade noch und hechtete ins Dickicht neben der Straße, bevor ein eindrucksvoller Reitertross um die
Kurve galoppiert kam. Es war ein zu Jonathons fabelhafter Kavallerie gehörender Trupp, und an seiner Spitze ritten drei stattlich auf ihren Rossen thronende Wachen der königlichen Leibgarde.
    Alle Männer waren in voller Bewaffnung und trugen ihre angestammten Farben. Aufrecht und vornehm saßen sie in den Sätteln, die Köpfe hoch erhoben, die Gesichter zum Schutz gegen den Staub bedeckt. Sie gaben einen prächtigen Anblick ab. Donnernd kamen sie auf Wynter zu, und als die Erschütterung sie auf und ab hüpfen ließ wie einen Kiesel im Eimer, kicherte sie vor Freude.
    Doch dann entdeckte sie die Fahnen, und das Lachen blieb ihr im Halse stecken. Sie waren auf halbmast gesetzt und allesamt schwarz gefärbt. Wynter sah von Mann zu Mann und bemerkte voller Verzweiflung die flatternden Dreiecke aus schwarzem Tuch, die alle an der rechten Schulter trugen. Die Federbüsche an ihren Nasalhelmen waren ebenfalls schwarz eingefärbt und abgeknickt, so dass sie ihnen über den Rücken hingen wie Pferdeschweife.
    Diese Männer führten die traditionellen Fahnen und trugen die formellen Zeichen höfischer Trauer. Das konnte nur eines bedeuten: Innerhalb der königlichen Familie hatte sich ein Todesfall ereignet. Alberon oder Jonathon oder Razi – einer von ihnen war tot. Kein anderer Mensch, nicht einmal Wynters Vater, würde das Wehen einer schwarzen Fahne oder das Umknicken des Helmbuschs der Kavallerie rechtfertigen.
    Wynter lag auf der bebenden Erde zwischen tanzenden Steinchen und Zweigen und starrte fassungslos die flatternden Banner an. Unterdessen galoppierten die Pferde vorbei und ließen die Luft schwer von gelbem Staub zurück. Endlich stand Wynter auf, trat zwischen dem Gestrüpp hervor
und sah den letzten Reitern nach, die gerade um die Kurve bogen und außer Sicht verschwanden.
    Ein Todesfall in der königlichen Familie , dachte sie. Ein Todesfall. Aber wer? Nicht Razi! Und auch nicht Albi! Und, o du lieber Gott … was soll aus uns werden, wenn Jonathon gestorben ist?
    Was sollte sie jetzt tun?
    Regungslos, den Blick auf die leere Straße vor sich gerichtet, stand sie im grellen Sonnenlicht, während um sie der Staub der Straße niedersank. Langsam erholte sich der Wald vom Schrecken der vorbeiziehenden Reiterschar, und kleine Vögel stimmten in den Büschen ihr Lied an, während sich Wynters Gedanken überschlugen. O Razi , klagte sie innerlich, als der erste echte Schmerzensstich sie plötzlich traf. O mein Bruder, mein Freund. Hoffentlich bist es nicht du! Und im selben Augenblick wusste sie, dass das die Wahrheit war, wusste mit rückhaltloser Gewissheit und bohrendem Schuldbewusstsein, dass von allen dreien Razi derjenige war, den zu verlieren sie nicht ertragen könnte.
    All diese Überlegungen brannten fieberhaft in ihrem Hinterkopf, während im Vordergrund die alles beherrschende Frage stand, was sie jetzt tun sollte. Sie befand sich fast genau auf halbem Wege zu Alberons Lager. Wäre es angesichts der Trauerfahnen
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