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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade
Autoren: Kiernan Celine
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Ansiedlung. Wenn du allein bist und weit und breit auf keine Menschenseele zu hoffen ist, dann
bring ihn an Ort und Stelle um. Tritt auf seinen Schädel ein. Stich ihm die Augen aus. Schlitz ihm die Kehle oder die Leistenbeuge auf . Wynter hatte sie so viele Male gehört – Lorcans unerbittliche Liste von Maßnahmen, um ihr eigenes Leben zu retten und ihre Feinde zu überwältigen oder zu töten. Und eines, das Wichtigste, hatte er ihr wieder und wieder eingeschärft: Furcht lähmt dich, mein Liebling. Furcht tötet dich. Du darfst die Furcht nicht zulassen. Wenn das geschieht, hast du den Kampf verloren.
    Tja, es gab keinen Zweifel daran, dass sie den Kampf unten am Bach verloren hatte. Als dieser Mann sie über das glitzernde Wasser hinweg angesehen hatte, hatte Wynter gebibbert wie ein in die Ecke getriebener Hase, und in ihrem Inneren hatte es nur mehr Schrecken gegeben. Die Furcht hatte gewonnen. Dieser Mann hatte gewonnen. Hätte er sofort zugeschlagen, hätte Wynter ihm nichts entgegenzusetzen gehabt. Er und sein Kumpan hätten sie so leicht bezwingen können, wie man Beeren von einem Strauch pflückt.
    Erneut strauchelte Ozkar, und Wynter trat ihm zornig in die Flanken. Sie würde immer weiterreiten, würde niemals mehr anhalten. Die Vorstellung, jetzt stehen zu bleiben, irgendwo in der Nähe dieses Mannes, die bloße Möglichkeit, er könnte sie finden, erfüllte Wynter mit Grauen.
    Ganz unvermittelt stieg die Erinnerung an Christopher in ihr auf, klar und deutlich und unerwartet; seine lächelnden Augen und sein Grinsen, seine verwegene Tapferkeit. Christopher! , dachte sie mit aufrichtigem Kummer. Christopher!
    Wie konnte sie ihn nur so vermissen, obwohl sie ihn doch kaum kannte? Aber so war es. Sie vermisste ihn und bewunderte ihn, sowohl für seinen Mut als auch für sein Lachen, ungeachtet all dessen, was man ihm genommen hatte. Nicht wie du! , dachte sie bitter. Dir wurde noch nie etwas genommen!
Nichts wurde dir angetan außer einem Blick in deine Richtung. Und du lässt dich davon vernichten! Du armseliger Feigling! Du wehleidiges Kleinkind!
    Mit einer abfälligen Grimasse lehnte sich Wynter im Sattel zurück und zog an den Zügeln. Erleichtert kam Ozkar zum Stehen und keuchte mit hängendem Kopf. Die Hitze war drückend, und Wynter zog die Schultern ein und horchte auf Verfolger. Doch abgesehen vom unablässigen Zirpen der Insekten war der Wald vollkommen still.
    Tief atmend richtete sich Wynter wieder auf und presste die Hand auf die Brust, um ihren Herzschlag zur Ruhe zu zwingen. Razis Brief wisperte unter ihrer Handfläche. Das Zunftmedaillon kam still auf ihrer Brust zu liegen. Der Wald um sie herum schlummerte friedlich.
    Sie lachte. Also gut , dachte sie noch etwas zittrig. Also gut. Das wäre vorbei .
    Ohne noch mehr Zeit zu vergeuden, wendete Wynter Ozkar und trieb ihn den Hang hinauf. Sie ließ sich von ihm weit zwischen die hohen Bäume tragen und wählte dort rasch einen Platz, glitt aus dem Sattel und schlug ihr Lager auf.
    Innerhalb einer halben Stunde war Ozkar gefüttert und getränkt, abgerieben und festgebunden und döste, zufrieden an einen Baumstamm gelehnt. Müde kroch Wynter in ihr einfaches Zelt. Sie lag mit dem Kopf auf dem Sattel, blickte hinauf gegen die helle, schlammbespritzte Leinwand und versuchte, an nichts als das gemächliche Summen des Waldes zu denken. Dann sprach sie ein Gebet für Lorcan, eines für Razi und aus tiefstem Herzen eines für Christopher, wo auch immer er sein mochte. Der Schlaf übermannte sie ganz plötzlich – ein dunkler Abgrund, der sich geräuschlos und riesengroß auftat und sie ohne Vorwarnung hinabzog.

     
     
    Donner dröhnte im Himmel über den Baumwipfeln. Wynter schrak auf und wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Sie lag auf dem Rücken unter der Leinwand. Es war fast dunkel, sie musste stundenlang geschlafen haben. Die Luft war schwer vor Gewitterhitze, der winzige Unterschlupf dunstig und zu eng, und Wynter war froh, eine Seite offen gelassen zu haben. Blinzelnd sah sie hinaus auf die Lichtung, wartete darauf, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.
    Dort im Wald stand Lorcan und suchte besorgt die dunkle Umgebung ab. »Horch«, sagte er.
    Bei seinem im Zwielicht flimmernden Anblick musste Wynter schlucken. »Vater«, flüsterte sie, »ich habe Angst.«
    Lorcan machte ein missbilligendes Geräusch und schüttelte den Kopf. »Darauf habe ich dich vorbereitet, so gut ich konnte«, sagte er bestimmt. »Du bist jetzt auf
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