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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade
Autoren: Kiernan Celine
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und Füchse, und seine Familie würde nie erfahren, was ihm zugestoßen war.
    Das könnte ich sein , dachte Wynter, von jetzt auf gleich getötet und ausgelöscht .

    Plötzlich tauchte der Räuber mit dem Stock wieder auf. Er lief zum Straßenrand, kniete sich hin und beugte sich von der anderen Seite aus in das Flussbett, den Arm weit ausgestreckt, um etwas tief in den Brombeerbüschen zu erreichen. Dann hockte er sich grinsend zurück und hielt den Hut des Händlers hoch.
    Wynter hätte den Kopf senken sollen, doch sie war so von Hass erfüllt, dass sie den Strauchdieb einfach nur anstarrte, während er den Staub aus dem Hut seines Opfers klopfte.
    Schon wollte er aufstehen, als er den Blick hob und sie im Dickicht der Brombeerzweige entdeckte. Wynter sah ihn unter seiner Hutkrempe blinzeln und die Stirn runzeln, und als er langsam auf die Füße kam und mit fragender Miene angestrengt ins Zwielicht starrte, wurde sie von eiskalter Furcht ergriffen.
    »Was ist denn?«, fragte der andere Räuber, der bereits im Sattel saß und losreiten wollte.
    Der Mann mit dem Stock antwortete nicht, ging nur wortlos vor Wynters Versteck in die Hocke und blickte ihr über die tanzende Helligkeit des Wassers hinweg geradewegs in die Augen.
    Alles, was Wynter jemals gelernt hatte, alles, was man in einer solchen Lage tun sollte, war wie weggeblasen. Zu ihrem eigenen Entsetzen blieb sie einfach liegen, erstarrt und hilflos, während der Mann sie in aller Ruhe von oben bis unten musterte.
    Seine Augen wanderten über ihren Körper, und sie sah, dass er ihre Rundungen und Wölbungen zur Kenntnis nahm, ihre eindeutig weibliche Gestalt. Als er den Blick wieder hob und ihrem begegnete, war er berechnend und brennend. Er entblößte die Zähne, und die Gier in seinem Grinsen jagte Wynter lähmende, grauenhafte Furcht durch den Bauch.

    »Heda! Tosh!«, rief sein Kumpan. »Was treibst du da?« Inzwischen hatte er sein Pferd gewendet, und Wynter hörte ihn herantrotten.
    Da stand der Mann auf und bedeutete ihm, nicht näher zu kommen. »Nichts«, gab er zurück und schlenderte zu seinem Pferd zurück. »Nur ein Dachsbau. Ich dachte, da würde ein Mensch liegen. Hab wohl zu viel Sonne abgekriegt.«
    Wynter fühlte gleichzeitig ungeheure Erleichterung und überwältigende Übelkeit. Sie presste sich die Hand vor den Mund, überzeugt, sich übergeben zu müssen. Als der Räuber wieder aufstieg, hörte sie ihn sagen: »Hör mal, Peter, wenn wir mit dem stummen Murk einen Preis ausgehandelt haben, kannst du Jenny heute Nacht für dich allein haben. Ich hab was vor.«
    »Was vor?«, rief sein Freund ungläubig. »Anstatt Jenny … Was hast du denn vor?«
    »Ach, nichts Besonderes. Hab nur Lust, bisschen auf die Jagd zu gehen.«
    »Auf die Jagd?«, wiederholte der andere völlig verwirrt. »Statt Jenny? Tosh, ich will mich ja weiß Gott nicht beklagen, aber bist du irre?«
    Der Räuber gluckste fröhlich. Nun trabten die beiden langsam von dannen, doch noch ehe sie außer Hörweite kamen, hörte Wynter seine Erwiderung.
    »Nee, ich bin nicht irre«, sagte er umgänglich. »Ich hab bloß ganz plötzlich so einen Hunger auf Frischfleisch, das ist alles.« Und erneut lachte er – ein Lachen, dessen Klang Wynter zittern machte und ihr die Kehle zuschnürte.

Allein auf Reisen
    N ach einer Weile begann Ozkar zu stolpern, doch Wynter trieb ihn gnadenlos weiter und weiter. Sie hatte jeden Sinn für Vorsicht und Besonnenheit verloren und drängte voran durch Hitze und Staub, achtete kaum auf die Richtung, wollte nur fort.
    Ihr Vater hatte sie gelehrt, wie man allein reiste, und bis zu diesem Moment war Wynter seinen Ratschlägen gewissenhaft gefolgt; sie war beherrscht gewesen, umsichtig, hatte alles bedacht. Jetzt aber, von blinder Furcht getrieben, floh sie durch die glühende Mittagshitze, und das Einzige, woran sie denken konnte, waren die fiebrigen Augen dieses Mannes und die Angst, dass sie sie eines Tages wieder ansehen könnten.
    Alles, was Lorcan sie je über Selbstverteidigung gelehrt hatte, kreiste zusammenhanglos in ihrem Kopf. Die Daumen fest in die Augen des Angreifers. Das Knie oder die Faust in die Weichteile, den Stiefelabsatz auf seinen Fußrist . Seine ganzen ausführlichen Anweisungen für den Fall, dass sie einmal von einem Mann angegriffen werden sollte, spulten sich endlos in ihrem Geist ab. Dreh ihm auf keinen Fall den Rücken zu, solange er sich noch rühren kann. Wenn er bewegungsunfähig ist, lauf wie der Teufel zur nächsten
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