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Moorehawke 02 - Geisterpfade

Moorehawke 02 - Geisterpfade

Titel: Moorehawke 02 - Geisterpfade
Autoren: Kiernan Celine
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gespannt. In diesem Moment machte der Räuber einen Satz nach vorn, und Wynter warf sich ihm entgegen, den Dolch auf Hüfthöhe haltend und bereit zum Zustechen.
    Sie prallten zusammen. Der Mann fing ihre Angriffshand und verdrehte Wynter unerbittlich das Gelenk. Sie beugte sich dem Druck, wodurch sie verhinderte, dass ihr Arm brach, doch ihre Finger wurden sofort taub, und der Dolch fiel ins Unterholz. Dennoch ergab sie sich nicht, und der Räuber hatte alle Hände voll zu tun, sie weiter festzuhalten, denn sie schlug um sich, trat und biss. Fluchend packte er sie an den Haaren, riss ihr den Kopf zurück. Durch den brennenden Schmerz hindurch sah Wynter seine hoch in den Himmel gereckte Faust. Dieser Hieb würde ihr die Sinne rauben. Ich bin verloren.
    Da löste sich eine riesige Gestalt aus der Dunkelheit, und Wynter wurde dem Griff des Mannes entrissen. Sie stürzte, schlug hart auf dem Waldboden auf und bekam keine Luft mehr, während das große Etwas über ihr und dem Angreifer aufragte. Der Räuber wirbelte herum und fand sich einer lebendigen Finsternis gegenüber. Abwehrend hob er die Arme, aber da wurde er schon durch die Luft geschleudert und landete krachend auf der anderen Seite der Lichtung.
    Wynter wühlte unter den Kiefernnadeln nach ihrem verlorenen Dolch, bereit, sich auch gegen diese neue Bedrohung zu verteidigen. Doch da drang ihr der warme Pferdeduft in die Nase, und sie begriff, dass es Ozkar war, der dort in der Dunkelheit stampfend und scharrend über ihr stand. Überwältigt von Erleichterung ließ sie sich zurück auf den kalten Erdboden fallen, während das Pferd neben ihr wartete, den großen, starken Körper als Schutzschild zwischen Wynter
und dem Mann, den es gerade bewusstlos getreten hatte. »Braver Junge«, krächzte sie. »O mein guter Ozkar. Braver Ozkar!«
    Erschöpft zog sie sich am abgerissenen Ende von Ozkars Strick hoch und murmelte unablässig, was für ein Braver er doch war. Guter, guter Ozkar . Sie konnte einfach nicht aufhören, es zu sagen, und sie konnte ihn einfach nicht loslassen.
    So packte sie ihre Sachen mit einer Hand zusammen, die andere blieb krampfhaft in die zerzauste Pferdemähne geklammert. Sorgsam achtete sie die ganze Zeit darauf, Ozkar zwischen sich und dem gekrümmten Mann im Schatten der Bäume zu halten. Als sie endlich aufbruchbereit war, konnte sie sich nicht überwinden, in den Sattel zu steigen; sie traute sich nicht, sich über den Hals des Pferdes zu erheben, denn sie hatte schreckliche Angst, dass der Räuber dann plötzlich durch die Luft springen und sie angreifen, sie endgültig und unwiederbringlich zu Boden reißen würde. Also lief sie zu Fuß von ihrem Lagerplatz los, immer noch das treue Pferd zwischen sich und dem Mann. Erst als die Lichtung schon längst außer Sichtweite, längst außer Hörweite war, gelang es ihr, den eisernen Klammergriff um die Pferdemähne zu lösen und sich schwerfällig in den Sattel zu schwingen.

Trauerfahnen
    A ls Wynter in das lang gezogene, namenlose Tal ritt, auf das ihre Landkarte sie vorbereitet hatte, wurde der Pfad allmählich flacher. Sie rechnete damit, gegen Mittag einen Fluss zu erreichen, dessen Lauf sie dann in den nächsten sechs oder sieben Tagen folgen wollte, bis sie zum Gasthof des Orange Cow Inn gelangte. Von dort aus ginge es wieder nach oben, höher in die Berge und hinauf Richtung Indirie-Tal und, hoffentlich, Alberons Feldlager.
    Ozkar war auf diesem ebenen Untergrund viel zufriedener. Für ihn war der steile Abhang zunehmend schwierig zu begehen gewesen, und Wynter konnte seine Erleichterung spüren, denn die Last ihres Gewichts war nun besser verteilt. Sie freute sich für ihn, doch ihr selbst gefiel es gar nicht, dass sich die Bäume so lichteten. Die massigen Kiefern hatten hervorragende Deckung geboten, doch diese neue Art mit den hohen Stämmen und dem spärlicheren Grün wuchs nicht so dicht, weshalb es schwieriger würde, sich im Verborgenen zu halten.
    Zweieinhalb Tage lag es zurück, dass der Räuber sie überfallen hatte, und Wynter war wieder uneingeschränkt die Herrin ihrer wachen Stunden – am Tag war sie beherrscht und vorsichtig, handelte mit Bedacht.
    Die Nächte allerdings waren etwas ganz anderes. In ihren
Träumen fand der Mann sie immer wieder und quälte sie, und jeden Morgen erwachte Wynter niedergedrückt von bleierner Müdigkeit, die Gedanken von einer dicken Schlammschicht aus Erschöpfung überzogen.
    Und dann war da ihr Vater. Manchmal versetzte sie der
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