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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
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Boden. In ihren Krallen halten sie Laserpistolen und feuern unkontrolliert in die Instrumententafeln der Basis. Zwei Jungen kommen dazu und drücken Knöpfe an den riesigen, rauchenden Computerterminals.
    Die Aufmerksamkeit, mit der Stephan dem Programm folgt, macht Benjamin traurig. Sie sitzen nebeneinander und lassen den Fernseher reden. Saurier, Werbung, Saurier. Nach den Dinos aus dem All kommt eine asiatisch aussehende Trickfilmserie über ein Mädchenfußballteam. Stephan lässt seinen Kopf umständlich in Benjamins Richtung rollen. Benjamin bemerkt den Blick, aber irgendwas hindert ihn daran, einen interessierten Gesichtsausdruck aufzulegen. Irgendwas hindert ihn daran, jetzt einfach nett zu sein.
    »Es ist nicht Citizen ... Kane. Aber es teilt ... deinen Tag in Portionen.«
    »Das ist doch gut«, sagt Benjamin. Die Mädchen auf dem Bildschirm spielen gerade das wichtigste Auswärtsmatch der Saison gegen eine andere Mannschaft. »Aber ist es nicht einsam?«
    Mit einer zittrigen Geste drückt Stephan auf den Knopf, der den Fernseher stumm schaltet.
    »Du meinst, ... den ganzen Tag in ... einem Rollstuhl ... zu hängen, fernzusehen ... und darauf zu warten, ... dass ... Kathrin auch mal Zeit ... für dich hat ... wenn ... du nicht grad ... gefüttert oder gewaschen werden ... musst?« Es dauert endlos, bis Stephan den Satz herausgestammelt hat. Benjamin merkt, dass es ihm peinlich ist, wie Stephan spricht. Obwohl gar kein anderer da ist, vor dem er sich rechtfertigen müsste. Es ist peinlich wie eine peinliche Pause in einem Gespräch mit jemandem, den man nicht besonders gut kennt. Stephan nimmt einen konzentrierten Atemzug durch die Nase. »Du wirst ... lachen«, sagt er, »ich glaube, ... ich war ... noch nie so glücklich.«
    Stephan stellt den Fernsehton wieder an. Die Mädchen spielen immer noch Fußball.
     
    »Ja?«, fragt der Mann hinter der Grillimbisstheke eine Spur zu laut. Er hat einen bleichen, runden Kopf mit kurz geschorenem Haar. Er sieht genervt aus. Er sieht aus wie ein genervtes, fettes Kind mit deutlich zu eng beieinanderstehenden Augen. Silberne Stoppeln auf dem Kopf und im Gesicht, blassgraue Augen, blass wie von den Jahren im Imbiss ausgewaschen. Seine Hände sind wächsern und haarlos, mit Poren, die ein Leben lang Fritteusenfett getrunken haben. Auf der Tafel über ihm steht »Hamburgerbuletten aus Frischhack!» Benjamin schaut ihn an, und vor seinem inneren Auge erscheint ein dunkles Hinterzimmer, in dem blasse Fetthände mit kaltem Rindermatsch verschmelzen.
    »Ich hätte gern ein Hähnchen.«
    »Was?«
    »Hähnchen.«
    »Hähnchen«, wiederholt der Mann und macht ein konzentriertes Gesicht. »Dauert aber.«
    »Kein Problem. Ich hab Zeit, bin hier zu Besuch.«
    »Ach«, sagt der Dicke, und Benjamin ist sich nicht sicher, ob das Ironie war oder ob der Imbissmann noch nie in seinem Leben darüber nachgedacht hat, dass man etwas nicht ernst meinen könnte.
    »Entschuldigung, könnte ich bitte auch noch ein Bier bekommen?«
    »Was?« Der Alte kneift die Augen zusammen und hält Benjamin sein Ohr hin.
    »Bier«, wiederholt Benjamin etwas lauter und macht mit der Hand eine Kippbewegung vor seinem Mund.
    »Ach.«
    »Der Adam hört schlecht«, sagt eine Stimme aus der Ecke, »da müssen Sie ein bisschen ins Horn stoßen, um den Magen vollzubekommen. Ist aber ein guter Junge.«
    Ein endlos alter Mann sitzt gekrümmt in der Ecke, vor sich einen Teller mit zwei Spiegeleiern auf einer Scheibe klebrigem Schwarzbrot. Daneben stehen eine Tasse Kaffee und ein Schnapsglas mit einer klaren Flüssigkeit.
    »Kommen Sie, Junge. Setzen Sie sich zu mir. Sie kommen nicht von hier.«
    Benjamin quetscht sich zu dem Alten auf die Eckbank. Ihre Knie berühren sich unter dem Tisch.
    »Wo wohnen Sie denn? Hier im Dorf nicht, oder?«
    »Doch, ich besuche Freunde. Ihnen gehört das Haus oben direkt am Hang.«
    »Ach, die Neuen.«
    »Na ja, die leben jetzt auch schon ein paar Jahre hier ...«
    Der Mann lächelt still, zermatscht mit seiner Gabel die beiden Eigelbe. Den Glibber verstreicht er über das ganze Brot und stopft sich eine Gabel voll in den Mund. Seine Lippen schnalzen über zurückgehendem Zahnfleisch und letzten Zähnen zusammen.
    »Früher haben hier alle Häuser Bergarbeitern gehört. Männern, die oft eine Woche unter Tage in den Erzminen hundert Meter unter der Erde geschuftet haben. Die sind nur am Sonntag ans Licht gekommen. Für den Kirchgang. Und natürlich, um ihre Frauen zu sehen, wenn Sie
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