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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni
Autoren: Grünschnabel
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Mal aufgefallen.
    – Sehr schön gemacht. Ein Einzelstück?
    Als meine Mutter wieder anfing, mit dem Olivenmatsch auf dem Tisch zu spielen, guckte sie lange auf das Reh, das auf den Koch wartete, bevor sie den Unterteller leer schlürfte.
    – Hör mal: Kinderlos zu bleiben ist keine Seltenheit. Unglücksfälle wie dich gibt es viele. Das muss dich nicht beunruhigen.
    Das hatte die Chefin auch gesagt. Unglücksfälle wie meine Mutter werden erst mit allen Organen unter ärztliche Obhut gestellt. Ist Hopfen und Malz verloren, gehen sie in die Kirche, um nach Gott zu schauen. Wenn Gott auch nicht hilft, sind wir an der Reihe.
    – Und Unglücksfälle wie die Kleine übrigens auch. Ist doch nichts dabei.
    Als die Tasse neben Tante Joujou an die Wand ging, rieb mein Vater seine Stirn und prüfte die zweite Tischtuchklammer. In der Küche hin und her gehend, sammelte meine Mutter alles ein, was Tante Joujou mitgebracht hatte: die Baguettes, ihren Mantel, die Reisetasche, den Käse, ein Tuch, Hut, Schuhe, Zeitschriften, Blumen, und warf alles aus dem Fenster. Auf der Straße klingelte und hupte es, eine Bremse quietschte, und jemand schrie: ›Ausländerpack!‹ Mein Vater drückte die Feder der Tischtuchklammer wieder und wieder durch.
    Auf dem Klo ist es ruhig. Man kann ungestört seinen Gedanken nachgehen. Ich stellte mich vor die Tür, um meiner Mutter ein wenig dabei zu helfen. Sie hatte endlich aufgehört zu weinen.
    – Tante Joujou ist fort.
    – Gut.
    – Es sind alle fort.
    – Gut.
    – Soll ich die Blondierte holen?
    – Ganz bestimmt nicht.
    – Und Eli?
    – Den auch nicht.
    – Soll ich Tat anrufen?
    – Du sollst niemanden anrufen.
    Ich sah ins Wohnzimmer hinüber zu meinem Vater.
    – Möchtest du mit ihm reden?
    – Nein. Wo ist er eigentlich?
    – Er liegt auf dem Sofa.
    – Wie geht es ihm?
    – Er hat Kopfschmerzen, sagt er. Und dass wir neue Tischtuchklammern brauchen. Drei Stück.
    Meine Mutter begann wieder zu weinen.
    – Sind Tischtuchklammern so teuer?
    – Lass mich einfach fünf Minuten in Ruhe. Lasst mich alle einfach in Ruhe.
    Ich blieb noch eine Weile stehen. Manchmal überlegte es sich meine Mutter anders, wollte Pillen gegen das Himmelelend haben, ein Glas Wasser und ihre Lieblingsillustrierte.
    – Na los, verschwinde.
    Mein Vater drehte sich auf dem Sofa um und schloss die Augen, damit er es nicht anschauen musste. Jetzt, wo es ihm gehörte, gefiel es ihm nicht mehr. Einen senfgelben Alptraum nannte er es, aber das war ich anderntags auch, denn ich kotzte das Stückchen Fleisch und kotzte den Fleck Kartoffelbrei, die halbe Banane, den Reis, die Tasse Suppe, den Löffel Haferschleim. Meine Mutter schüttelte den Kopf, fasste mir an die Stirn, trug die Schüsselchen hinaus, den Teller, die Gläser, ich dünstete in Essigsocken. Die Blondierte kam zu Besuch, Eli und Mirela und später Dejan.
    Sie stehen um das Bett herum.
    – Schau dir das an.
    – Eindeutig die Leber.
    – Eindeutig.
    – Gelb wie ›die Schwarzäugige Susanne‹.
    – Gelb wie eine Sonnenblume.
    – Gelb wie eine Paprika.
    – Ein Zitronenfalter.
    – Butter.
    Sie schütteln die Köpfe, gehen im Zimmer auf und ab.
    – Heiß hier drin.
    – Drückend heiß.
    – Brütend heiß.
    – Eine Bruthitze.
    Sie fühlen mir die Stirn. Auch der Arzt.
    – Kochend heiß.
    – Glühend heiß.
    – Und feucht.
    – Nass.
    – Pitschnass.
    – Klatschnass.
    – Pudelnass.
    – Unglaublich.
    Sie scharren mit den Füßen, und Eli bringt sie zur Tür. Auch den Arzt, der kommt und geht und flüstert, die Tür leise schließt. Das Telefon, das klingelt, dessen Klingel hallt, mein Kopf, der warm und wärmer wird und heiß. Mein Vater sagte, dass Tat angerufen hatte und wissen wollte, wie es geht. Meine Mutter schüttelte den Kopf. Elis Hand an meiner Schulter, die mir den Hörer hinhält und flüstert:
    – Dein Großvater.
    – Tat?
    – Ja.
    Tat, der fragt, wie es geht, der erzählt, dass die Pflaumen unglaublich groß werden dieses Jahr, riesig werden und saftig, die Äpfel ein Traum. Der Hörer fällt mir aus der Hand.
    Mein Kopf, in dem es braust.
    Mein Kopf, der knistert und knackt, der klopft im Takt. Tat, der vom Baum fällt, der mit Äpfeln nach Pflaumen wirft, nach der Uhr auf seinem Dach, nach seinen Beinen, die in der Küche ohne ihn tanzen.
    Licht, das kommt und geht.
    Elis Blick, der auf mir ruht, und seine Hand, die meine fasst. Hüpfendes Licht im Fenster, ein Licht in Elis Blick, ein Funke, der verlöscht. Elis
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