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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni
Autoren: Grünschnabel
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Einige fallen bei der Aussicht sogar ins Bodenlose.
    – Das, sagte mein Vater, gibt sich wieder beim Essen.
    Für riesige Fuhren gehörte die Küche ihm, und das Wochenende war sowieso seine Domäne. Die Nachbarin hatte Glück, dass sie am Donnerstag gestorben war, und die Verwandtschaft hatte Schwein, dass sie eine riesige Fuhre war: ein doppelter Jackpot. Mein Vater war schon ganz aufgeregt, pellte in Gedanken Berge von Kartoffeln, schnitt Gemüse, zerlegte ein Rind, Hühner und Schweine, denen das Sterben leichter von der Hand gegangen war als der Nachbarin. Viel leichter.
    – Es ist für sie eine Überraschung, sagte er, auf der Schweinewolke aufzuwachen, im Rinderhimmel, auf Hühnersternen. Von dort oben gucken sie stolz in diese Pfannen und staunen: Na so was. Da, das bin ja ich, das mein Schwager. Erstaunlich: Aus der blöden Sau ist doch noch was geworden, und hier: Was man aus einem dämlichen Rindvieh so machen kann. Nicht zu fassen.
    Mein Vater wollte die Küche für sich haben. Aber meine Mutter wischte Brotkrumen von der Anrichte, vom Tisch, sie wischte unter dem Tisch, sie fand Socken. Sie wischte den Fernseher ab, sie fand einen Hut, drei Hüte, den vierten auf dem Vogelkäfig. Sie wischte, so lange sie konnte, weil alle auswärts waren, sich auslüfteten, einen Gang taten, und mein Vater wanderte Listen schreibend auf und ab und ging schließlich einkaufen.
    Er soll nicht übertreiben, er, der seine Gastfreundschaft noch nicht einmal im Schlaf ausziehen kann, rief sie ihm hinterher, Herrgott, dass er doch gleich alle mitbringen soll, die er auf der Straße noch findet und in Hauseingängen oder unter Steinen.
    Sie musste ein wenig weinen, weil ihr seine Gastfreundschaft bis in den Tod über den Kopf wuchs und sie sich schon wieder Rechnungen essen sah, damit sie vom Tisch waren.
    Meine Mutter ging durch den Lilienduft, sie teilte ihn mit Kölnischwasser, sie hatte sich schön gemacht, sie deckte den Tisch. Seit zwei Tagen deckte sie fast ununterbrochen den Tisch, und am dritten brauchte sie alle Teller; alle, die sie hatte, und alle, die sie kriegen konnte. Teller waren Pflicht. Keiner kam ohne, und mein Vater stand in der Küche und sah Eli zu, wie er die Schnitzel platt schlug.
    Mein Vater schaute Eli gern zu. Eli machte normalerweise Mauern im Akkord. Er hatte Hände so groß wie Bratpfannen, und sein Augenmaß war im Fach hoch angesehen. Aber trotzdem redeten die Leute über Eli. Sogar in der Regierung. Es war nicht klar, ob die Regierung ihm die Schweiz erlaubte oder nicht. Obwohl er alles konnte: Mehrfamilienhäuser so gut wie den Kaninchenstall für Schneewittchen. Er machte so etwas im Schlaf, und tagsüber besuchte er uns oft, um eine große Hilfe zu sein. Dass die Leute redeten, war meinem Vater egal, und dass die Regierung wegen Eli sogar Briefe schrieb, machte ihm erst recht keinen Eindruck.
    – Idioten. Ausnahmslos. Rindviecher. Die Regierung kann uns mal.
    Er hob mich auf die Anrichte. Von seinen Händen bröckelte Panade.
    – Schau dir doch Eli an. Eliseo Álvaro Manuel Raúl Caballero Pardo. Der kann was, stimmt’s?
    Ich wartete. Mein Vater wollte mir den Rinderhimmel genauer erklären.
    – Es ist nämlich so: Im Rindviecherhimmel müssen die Tiere zusammenrücken. Dort fahren nach ihrem Tod auch Menschen hin, ohne dass es auffällt. Bei den Schweinen und Hühnern ist es ebenso. Solche Versehen passieren.
    Ist es ein Wunder? All die Himmel. Soll sich einer auskennen. Und dann ist da noch das Pfefferland. Es ist ein Paradies zu Lebzeiten, wo mein Vater meine Mutter manchmal zur Kur hinschicken wollte, es aber nie klappte, weil unser Geld hinten und vorn nicht reichte.
    Die Tür stand offen. Sie ging gar nicht mehr zu. Meine Mutter ging zwischen den Gästen hindurch und zählte sie. Auf dem Flur, im Klo, in den Zimmer n – sie klaubte zwei vom Ehebett, die keinen Hunger auf Schnitzel hatten, bloß einander grade aufaßen und mit Schnaps kleckerten, es war noch nicht einmal aufgetragen. Sie zählte im Wohnzimmer und in der Küche die, die aufs Fleisch einschlugen, es droschen, dass ihm die Sehnen hervorquollen. Sie rief ihnen zu:
    – Es ist eine Schand e – in unserem Bett.
    Eli krempelte die Ärmel hoch. Mein Vater hielt ihn zurück.
    – Lass, erst sollen sie essen.
    Meine Mutter schüttelte den Kopf, trug jetzt Flaschen herum, sie nahm noch zwei Pillen gegen das Himmelelend und begann mit dem Zählen wieder von vorn. Sie kommandierte mich und die Blondierte mit Schüsseln und
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