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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni
Autoren: Grünschnabel
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Gläsern durch die Wohnung und sagte zu den Gladiolen:
    – Es sind noch nicht mal alle da.
    Dejan und Mirela fehlten. Das schönste Paar weit und breit. Sie steckten noch im Restaurant fest, in dem sie arbeiteten. Sie wollten nachkommen, mit gebratenem Schweinefleisch und Dejans Gitarre, die in seiner Freizeit für Stimmung sorgte. Auch Henry und Silvester hätten schon längst da sein sollen. Sie waren aus Afrika gekommen, weil die Schweiz sie brauchte, um riesige Schaufelräder herzustellen, mit denen das Ausland Strom machen konnte, sagte mein Vater. Henry und Silvester waren von Afrika nach Amerika gereist, um dort zur Schule für Schaufelräder und Strom zu gehen und hatten in ihren Zimmern viereckige Hüte mit Kordeln, die auf Kissen verstaubten, und an den Wänden hingen eingerahmte Papiere. In Amerika hatten sie sich einen Ruf gemacht, der bis nach Europa reichte, und sie waren auf einem roten Teppich in die Schweiz gekommen. Henry und Silvester waren für die Schweizer Industrie unentbehrlich. Schaufelräder waren der Verkaufsschlager. Auch Eli sagte, die beiden wären handverlesen. Bloß meiner Mutter machte das keinen Eindruck. Im Gegenteil: Immer wenn mein Vater über Henry und Silvester reden wollte, klingelte das Geschirr im Küchenschrank ähnlich laut, wie wenn er Onkel Gion erwähnte, der nicht richtig im Kopf war, oder eine Nachbarin, die in Zürich einen Supermarkt für Liebe hatte.
    Mein Vater trug Schnitzel auf, und meine Mutter wollte nach dem Rechten sehen. Seit das Ehebett entweiht worden war, war mit allem zu rechnen, sagte sie. Und tatsächlich: lebendige Hühner am Duschkopf hängend, zu einem Strauß gebunden, der mit den Flügeln schlug, als sie ihn losmachte.
    – Eli!
    Sie trug sie in die Küche. Eins fiel zu Boden, es rappelte sich auf, flatterte über den Köpfen, die Blondierte musste ihre Hunde bändigen, das Huhn war aufgeregt, es verteilte Federn und Scheiße. Eine Cousine der Nachbarin fing es ein und griff ihm unter die Federn. Sie drückte es so lange in den Blumen ihres Kleides nieder, bis es ruhig wurde und sich in die Handtasche stecken ließ. Dort guckte es zwischen den Zähnen des Reißverschlusses hervor und machte keinen Mucks.
    Endlich waren auch Mirela und Dejan da. Mirela strahlte für zwei, das tat sie immer. Sie hatte eine Haut so weiß wie die Milch, die sie im Restaurantkeller zu Käse rührte und durch Lappen presste. Die beiden hatten eine Kiste Slibowitz dabei, Goran-die-Geige, Dejans Gitarre und das Schweinefleisch im Ganzen, vor dem meine Mutter weglief. Dejan hielt mir das fettige Paket hin.
    – Was hat sie? Es ist frisch. Und noch warm. Wieso mag sie Ferkel nicht?
    – Sie kann keine Kinder essen.
    Er zuckte die Schultern, schob sich an mir vorbei, öffnete ein Glas Paprikamus, das ihm Mirela gereicht hatte, stapelte runde Brote auf dem Tisch, klemmte einen Teller unter den Arm, steckte sich Besteck in die Jackentasche und ging zum Telefon, wählte mit der Gabel die Nummer. Beim Essen vermisste Dejan die Sprache von zu Hause am meisten. Er telefonierte mit Freunden. Die Schnur hinter sich herziehend, ging er dabei durch die Zimmer, bis die Verbindung plötzlich abbrach. Dejan schüttelte den Hörer, klopfte die Muschel aus, damit die restlichen Wörter herausfallen konnten, als einer die Tür aufriss und ihm das Kabel vor die Füße warf. Er hielt Dejan die Gitarre hin.
    – Komm endlich rein und spiel!
    Dejan hielt, was die andern versprochen hatten. Was für eine Musik. Sogar meine Mutter und die Blondierte tanzten, bis ihnen schwindlig wurde und man sie hätte stützen müssen, wäre die Wohnung nicht so voll gewesen wie der Bus Nummer vier. Ab und zu kippte jemand zur Tür hinaus, blieb im Stiegenhaus sitzen und schlief ein; kein Einziger merkte, dass ich ihnen schrumplige, schwarze Oliven in die Ohren steckte. Dejan schwor darauf, wenn er seine Ruhe haben wollte.
    Drinnen hielt Dejan die Gitarre im Arm, und Eli hielt Dejan im Arm. Sie hatten große Gefühle und sangen, als ich den Kuchen hereintrug. Es war, wie die Tanten sagten: Alle gingen aus dem Weg, sie machten Platz. Weiß der Himmel, wo sie den hernahmen, sie zogen die Bäuche ein, als käme die Braut.
    Bloß einer schob sich den Hut in den Nacken.
    – Was soll ich damit?
    Er drehte dem Kuchen den Rücken zu, hielt die Hand auf ein Schnitzel, um ihm die Temperatur zu nehmen. Er schnalzte mit der Zunge, sagte ›kalt‹, sagte ›egal‹ und aß es von Hand.
    – Wie heißt du?
    –
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