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Quintessenzen

Quintessenzen

Titel: Quintessenzen
Autoren: Sven Böttcher
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Vorwort
    Gibt es überhaupt Autoren, die für viele Menschen schreiben? Selbstredend gibt es Autoren, die von vielen Menschen gelesen werden, aber heißt das auch, dass sie für viele Menschen schreiben? Denken Autoren in dem Moment, in dem sie sich zurückziehen und im Wortsinn exklusiv zu schreiben beginnen, an ihre Leser? Plural? Mehrere? Alle? Wohl kaum. Gut, es gibt sicher welche, die insgeheim Redner sind oder Popstars, mit Bühnen unter den Füßen und Menschenmassen vor sich, aber in der Regel machen wir das doch nicht für gesichtslose Massen im Halbdunkel – sondern als Einzelanfertigung. Von einem, mir, für einen. Oder eine. Meist kennen wir sogar seinen oder ihren Namen. Des Menschen, dessen Herz wir mit unserer Geschichte erreichen wollen, den wir unterhalten wollen, amüsieren oder bewegen, oder dem wir etwas vermitteln, worüber er oder sie auch tatsächlich etwas erfahren will. Und schreibend gehe ich davon aus, dass dieser eine Leser im Moment des Lesens meiner Gedanken ebenso konzentriert ist wie ich im Moment der Niederschrift. So sind Leser und Autor, Autor und Leser, allein und doch zu zweit, unter sich und miteinander, exklusiv verbunden – und das erstaunlicherweise sogar in jenem Ausnahmezustand, in dem der Schreibende 10 oder 1 000 Menschen gleichzeitig seine Gedanken vorliest. Schreiben und Lesen sind keine Events. Geschrieben wird exklusiv, gelesen auch.
    Erst nachdem ich das begriffen hatte, wusste ich, dass dieses Buch, das Sie jetzt in den Händen halten, tatsächlich gedruckt werden kann – in einer höheren Auflage als der ursprünglich vorgesehenen von drei Exemplaren. Obwohl es ja tatsächlich exklusiv nur für einen einzelnen Menschen geschrieben worden war, beziehungsweise für einen ein zelnen Menschen mal drei, nämlich meine drei Töchter. Die es weder gemeinsam lesen sollten noch einander vorlesen, sondern gelegentlich, bei Interesse und/oder Bedarf, allein. Ich brauchte tatsächlich eine ganze Weile bis zur Einsicht, dass es immer nur einen Leser dieses Buches geben würde, ganz gleich, ob nun nur dreimal oder viermal oder n-mal.
    Die eigentliche Entstehungsgeschichte der Quintessenzen ist rasch erzählt: Ende 2007 hatte ich Lisa, meiner ältesten, damals 14-jährigen Tochter versprochen, in gebotener Kürze noch alles Wesentliche über das Leben, das Universum und den ganzen Rest aufzuschreiben, für sie und ihre jüngeren Schwestern. Für alle Fälle, vor allem für den Fall, dass ich in allen noch kommenden entscheidenden Momenten ihres Lebens unentschuldigt fehlen würde. Die Aussicht fanden wir beide unaussprechlich, konnten aber dennoch die Augen nicht vor der unerfreulichen Tatsache verschließen, dass man mir gerade auf dem Notfallkrankenhausbett vermittelt hatte, mit etwas Pech werde mein nächster Multiple-Sklerose-Schub mein letzter sein. Die Prognose war nicht sonderlich gewagt. Ich hatte vorher zwei Jahre lang alle paar Monate einen von diesen ominösen Schüben gehabt, hatte, meist doppelt sehend, kaum mehr aus der Horizontalen gefunden. Ich war längst in gesundheitlicher wie materieller Hinsicht ruiniert und nun wegen eines massiven neuen Entzündungsherdes auf Höhe des zweiten Halswirbels gelähmt an Händen, Füßen und Beinen sowie einigen nicht unwichtigen inneren Organen. Erwischte der unweigerlich bevorstehende nächste MS-Schub jene Nervenverbindungen, mittels derer mein Gehirn Herz- und Lungenfunktion steuerte, hatte ich wirklich lausige Karten. In diesem Wissen um die wahrscheinlich sehr begrenzte mir noch verbleibende Zeit beschloss ich, nebenwirkungsreiche Therapieversuche einzustellen und stattdessen noch ein paar wesentliche Kleinigkeiten zu ordnen und zu erledigen, vor allem die Quintessenzen . Sowie trotz des Totalverlustes an Perspektiven und sämtlichem materiellen Gedöns seelenruhig zu bleiben und ansonsten alles zu ändern, was zu ändern in meiner Macht stand, um wider ärztliches Erwarten gesund oder wenigstens wieder etwas gesünder zu werden. Auf den gut gemeinten chemotherapeutischen Rat der Fachleute konnte ich dabei nicht hören, wohl aber auf meine innere Stimme. Was sich, am Rande bemerkt, als richtig erwies, jedenfalls bis heute, denn auf dem von mir gewählten eigenen Weg sind mir gegen alle Wetten weitere schwere oder gar fatale Schübe erspart geblieben, bis heute, fünf Jahre nach der eindeutigen, aber eindeutig falschen Prognose.
    Ende 2008 waren die Quintessenzen dann in erster brauchbarer Fassung fertig und so konnte
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