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0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

0998 - Die Welt der verlorenen Kinder

Titel: 0998 - Die Welt der verlorenen Kinder
Autoren: Jason Dark
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Die Hände waren in den Taschen der gefütterten Jacke verschwunden, den Kopf schützte ein Hut, unter dessen Krempe sich das Gesicht blaß abzeichnete.
    McCormick stellte sich immer wieder eine Frage. Warum tue ich mir das an? Ich habe es doch nicht nötig. Ich bin seit fast zwei Jahren pensioniert. Ich bin kein Konstabler mehr, ich werde es auch nie wieder werden, aber trotzdem geistere ich noch wie ein Wilderer durch mein ehemaliges Revier, schaue nach, rede mit den Leuten und versuche herauszufinden, welche Probleme sie haben.
    Wenn es das nur wäre. Andere Dinge waren schlimmer, viel schlimmer, und auch unerklärlicher.
    Er schüttelte sich, als er daran dachte. Es war kein Ekel, der ihn so hatte reagieren lassen, sondern eher die Furcht vor dem, was er wieder einmal zu sehen bekommen würde. Wenn es heute um Mitternacht abermals passierte, dann würde er reagieren, das hatte er sich fest vorgenommen. Dann würde er etwas unternehmen müssen, noch vor dem Fest, denn das schleichende Grauen mußte gestoppt werden, bevor es den Ort und die Umgebung überschwemmte.
    Der alte Fluch. Keiner sprach davon, viele ahnten oder wußten es, aber er wurde verdrängt. Es lag ja viel zu weit zurück, um sich noch daran erinnern zu können.
    Generationen weit…
    McCormicks Frau hatte Elisa geheißen. Sie war vor etwas mehr als einem halben Jahr gestorben. Der verdammte Krebs hatte sie buchstäblich dahingerafft. Wäre sie noch am Leben gewesen, würde er jetzt im Bett liegen, anstatt sich in der kalten Dezembernacht an einer einsamen Stelle aufzuhalten, um kurz vor Mitternacht einen bestimmten Punkt zu erreichen, wo er dann sitzen und warten würde.
    Warten auf was?
    Auf das Unglaubliche. Auf das Unaussprechliche. Auf den Totenwahnsinn, mit dem der pensionierte Konstabler nicht zurechtkam. Er seufzte, als er seine Schritte setzte und durch die Lücke hindurchschritt. Alles war so anders geworden, nachdem Elisa nicht mehr bei ihm war, und auch er fühlte sich anders.
    Nein, einsam.
    Genau, das war es.
    Da konnte man noch so oft im Gasthaus sitzen und mit anderen Männern Karten spielen. Wenn niemand mehr im Haus war bei der Rückkehr, war das alles sehr schlimm.
    Jenseits der beiden Bäume erstreckte sich eine Wiese. An den Halmen klebte noch die Feuchtigkeit wie kostbare Perlen.
    Mit seinen dicken Schnürschuhen stapfte der Mann durch das Gras. Er überlegte, wie er reagieren sollte, wenn es wieder geschah. An wen konnte er sich wenden?
    An Sinclair! An John Sinclair!
    Auch er mußte inzwischen älter geworden sein, aber McCormick glaubte fest daran, daß er noch in seinem Job tätig war. Er hatte auch hin und wieder etwas über ihn gehört und gelesen, denn Sinclair arbeitete dort, wo er auch gern einen Job gehabt hätte, es aber aus verschiedenen Gründen nicht geschafft hatte.
    Seine Gedanken wehten davon wie Nebel im Wind, als der Mann das Ziel am Ende des flachen Hangs vor sich sah. Er endete dort, wo der dunkelgrüne oder beinahe schwarze Spiegel lag.
    Zumindest sah der runde Teich aus wie ein eingefärbter Spiegel. Über ihn hinweg strich der Wind nicht so stark. Das Wasser an der Oberfläche kräuselte sich kaum. Es blieb still, als wäre die Flüssigkeit einfach zu schwer für den Wind.
    Auch seltsam, wie McCormick fand.
    Nur hatte es keinen Sinn, sich darüber auch noch den Kopf zu zerbrechen. Es gab genügend andere Probleme, und die würden nicht weniger werden.
    Vor dem Mann lag kein Spiegel, sondern ein Teich. Ein stiller Dorfteich, nur eben etwas außerhalb der Ortschaft und nicht in seiner Mitte, wie es in vielen Dörfern sonst immer der Fall war. Hin und wieder, wenn die Sommer heiß waren, diente er als Ziel für irgendwelche Camper aus der Umgebung. Aber die Leute hielten es nicht länger als ein paar Stunden aus. Bei Dunkelheit wollte am Ufer keiner lagern und erst gar nicht eine Nacht dort verbringen.
    Die einsame Gestalt näherte sich dem Teich. Hoch über dem Kopf des Mannes zeichnete sich der Nachthimmel ab. Eine schraffierte Fläche aus verschiedenen dunklen Farben. Dort, wo der beinahe kreisrunde Mond wie ein kaltes Auge stand, leuchtete der Ausschnitt am Himmel heller.
    Mehr grau, schon fast ins Weißliche hineingehend, und die Wolkenränder sahen aus wie zerfaserte Watteenden.
    Weiter vom Erdtrabanten entfernt war der Himmel dunkel. Sehr dunkel sogar. Bösartig finster, wie McCormick hin und wieder meinte. So war es auch in dieser Nacht. Er schauderte schon leicht zusammen, als er in die Höhe
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