Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni
Autoren: Grünschnabel
Vom Netzwerk:
viele Namen ein. Mein Vater nannte ihn ein Arschloch, und er bekam nur deshalb keine aufs Maul, weil Eli danebenstand. Sogar meine Mutter nannte ihn am Tisch einen Schweinehund, und Eli sagte:
    – Eso cabrón! Es un hombrecito sin cojones.
    Elis Spanisch interessierte meine Mutter, wenn es so von Herzen kam. Etwas, das so schön klang wie der Name einer dekorierten Pastete, für die man den Doktortitel des Quartiers bekam, hätte sie gern in ihre Sammlung aufgenommen.
    – Was ist das?
    Eli erklärte meiner Mutter, dass der Vermieter ohne alles ist, und sie fragte:
    – Was ist das denn?
    Eli erklärte ihr, dass man dem Vermieter die Eier abschneiden könnte, ohne dass er es merken würde, weil er keine hat, oder anders gesagt: weil er keinen Mumm in den Knochen hat, und meine Mutter sagte, dass sie sich Eier am Tisch verbitten würde, weil sie für ein Mädchen in meinem Alter schädlich wären. Aber Eier waren mir bereits bekannt. Was dachte sie denn, wo ich gelebt hatte: hinter dem Mond? Eier sind weit verbreitet, und wenn sie nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten, sind sie nicht weiter aufregend, hatte die Chefin gesagt.
    Eli wollte noch etwas sagen, aber meine Mutter guckte. Und wenn meine Mutter guckte, fiel das Soufflé meines Vaters in sich zusammen, Sicherungen sprangen heraus, etwas knickte ein oder ging zu Bruch, und mein Vater sagte, Blumen in Vasen würden danach schneller welken, und wenn es ganz schlimm war, verloren sie gleich die Köpfe.
    Sonntags musste Eli Schneewittchen und Vogel füttern und die Fenster schließen, falls es regnen sollte. Sonntags fuhren wir zu Tat.
    Tat Jon, der Schach spielt, wenn’s sein muss, gegen sich selbst; Tat, der auch in seinem Alter noch kocht, der die Polenta mit Schmelzkäse anrührt, der sein Motorrad putzt, obwohl er es nicht mehr fahren kann, der seinem Motorrad keine Schuld gibt, obwohl es ihm ein Bein genommen hat.
    Tat, der Toscani raucht und Trübsal bläst, der Früchte furzt und auch nicht mehr richtig verdauen kann, obwohl daran nicht das Motorrad Schuld hat.
    Tat, bei dem alles gelb und grau ist; die Haare, der Schnurrbart, die Finger, die Nägel, die Zimmer leere Flussbetten, ausgetrocknete Seen, gelb wie in Afrika, wo Flüsse und Seen mehr als das halbe Jahr über Ferien machen.
    Tat Jon, dessen zweites Bein in Rauch aufging.
    Tat, der nachts aus dem Bett will zum Polentakochen, zum Polentascheißen, zum Kaffeekochen, zum Kaffeepinkeln oder Blut.
    Tat, der mehr Uhren im Haus hat als Messer, Gabeln und Löffel. Auf jeder eine andere Zeit, um den Tod hinters Licht zu führen; ein Haus, in dem es tickt und schnurrt und schnarrt und der Kuckuck schreit. Ganz wie im Wald, während ein Feuer raucht oder die Polenta kocht oder die Fenster offen stehen, es scheint, nur für die Wespen.
    Tat, der nur die Oberseite der Teller spült.
    Tat, der aus dem Haus muss, wenn meine Mutter kommt, um Ordnung zu schaffen, die Betten macht, die Teppiche klopft, die Borde auseinandernimmt, den Kühlschrank, den schwarzweiß gekachelten Boden wischt, die Messer, Gabeln und Löffel wäscht, die Teller auf der Unterseite.
    Tat, der nicht aus dem Haus will, wenn meine Mutter kommt. Bis sie guckt. Tat, der danach einen Rundgang durchs Haus macht, um alle Uhren wieder anzuschubsen, die stehengeblieben sind.
    Tat, der mehr Runzeln hat als Sellerie und Ohren mit Büscheln von Haar darin, die das Hören schwer machen. Tat, dessen Falten am Hals zittern wie die eines Truthahns.
    Tat, der weint, wenn er hinfällt, selbst sein alter Hund kann besser gehen. Sein Hund, der ein Ein und Alles ist, der Hilfe holt, seit die Tatta nicht mehr ist: Sepp. Sepp, der genügsam ist wie Gras.
    Tat, der viel kocht und wenig wäscht, der seinen Kaffee aus der Untertasse schlürft, der draußen sitzt, der Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren lutscht, der Aprikosen teilt und Pfirsiche, der Äpfel schneidet und Birnen, die Nüsse den Krähen lässt; es nicht merkt, wenn es Winter wird und kalt im Garten, meine Eltern schütteln den Kopf.
    Tat, der mehr als eine Viertelstunde braucht in den Keller und zurück. Tat wird sterben. Keiner ist so nah dran wie er.
    Tat, der fünf Beine hat: eins, das passt, eins, das scheuert, und eins in Aussicht: dasjenige, um das er mit der Versicherung streitet. Eins, das er trotzdem spürt, obwohl es fort ist, und eins, das er in guter Erinnerung hat, weil es Ruhe gibt.
    Tat oder Nonno oder Großvater. Je nachdem, wer zu Besuch kommt. Irgendwo gottverlassen, wo’s auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher