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Titel: Mobile
Autoren: Andreas Richter
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das, was er soeben gehört hatte, so weit verdaut, dass er tonlos fragen konnte: »Meine verbleibende Lebenserwartung ist der Preis dafür, dass meinem Sohn nichts geschieht?«
    »Richtig. Wenn wir das Geschäft abschließen, wird die Verbindung des Mobiles zu Ihrem Sohn beendet werden. Wir geben uns die Hand drauf und das Geschäft ist beschlossen, eine Sache unter Ehrenmännern.«
    »Ehrenmänner«, murmelte Michael spöttisch, »leck' mich am Arsch.«
    »Wie alt sind Sie, Jo?«
    »Vierzig. Erst vor einigen Wochen geworden.«
    George sagte: » Vierzig. Damit dürften Sie so ziemlich die Hälfte Ihres Lebens hinter sich haben. Wie sieht es aus, Jo: Was halten Sie von meinem fairen Angebot? Kommen Sie: Schlagen Sie ein!« Er streckte die Hand aus.
    »Er schlägt nicht ein«, sagte Michael plötzlich und schob sich zwischen die Beiden. »Nicht jetzt. Wir werden darüber nachdenken.«
    George guckte betrübt. »Das dürfte knapp werden. Dem Kind Ihres Freundes bleibt nicht mehr viel Zeit - und somit bleibt Ihrem Freund nicht mehr viel Zeit.«
    Michael sah George fest in die unwirklich aussehenden Augen. »Wie ich bereits sagte: Wir werden darüber nachdenken. Und währenddessen werden wir uns keinerlei Sorgen um das Kind machen müssen, weil Sie so lange die wechselseitige Beziehung von Mobile und Kind unterbrechen.«
    George schmunzelte. »Sie gefallen mir, Michael, wirklich. Ich habe seit jeher eine große Achtung vor Menschen, die sich gerademachen und loyal verhalten. Loyalität und Verlässlichkeit sind die entscheidenden Werte im Miteinander, privat ebenso wie geschäftlich. Vielleicht sollten wir beide uns mal in Ruhe unterhalten, nachdem wir das hier abgeschlossen haben, ich zeige Ihnen gerne einige für Sie interessante Perspektiven auf. Doch was das Unterbrechen der Beziehung von Mobile und Kind betrifft, so muss ich Sie leider enttäuschen: Die Beziehung lässt sich nur abschließend beenden, aber nicht zwischendurch unterbrechen.«
    »Das kaufe ich Ihnen nicht ab.«
    »Ich vermeide die Lüge, wann immer es geht. In diesem lapidaren Fall ist die Wahrheit eine Lüge nicht wert.«
    »Es lohnt sich nicht«, sagte Joachim auf Deutsch und blickte Michael aus müden Augen an. Mittlerweile war auch er aufgestanden. »Es ist kaum noch Farbe auf der Holzfigur. Es kann jeden Moment vorbei sein und dann ist es zu spät. Mein Restleben für das ganze Leben meines Sohnes ... - das geht in Ordnung. Klingt für mich wie ein fairer Deal.«
    »Du hältst jetzt deine Schnauze«, sagte Michael, ohne den Blick von George zu nehmen. Dann sagte er z u ihm: »Verlangsamen Sie es! Verlangsamen Sie den Verblassungsprozess, damit wir etwas Zeit haben, uns zu besprechen. Es müssen einige Dinge abgesprochen werden für ... später, nachdem Jo nicht mehr da ist. Sprachen Sie nicht gerade eben erst von einem fairen Angebot? Fair wäre es, wenn Sie uns zumindest dafür etwas Zeit geben.«
    George wandte den Kopf zur Seite und sah nachdenklich in die Flamme einer nahestehenden Kerze. Seine Pupille n wurden etwas schmaler. Dann sagte er: »Einverstanden. Eine Stunde. Nicht eine Minute länger.«
    »Dem Kind passiert während dieser Stunde nichts?«
    »Sie haben mein Wort.«
    »Ich hoffe, Ihr Wort ist etwas wert.«
    Georges Augen schlugen Funken. Er sagte: »Ich pflege mich immer an Abmachungen zu halten. Das erwarte ich auch von meinem Gegenüber. Werde ich enttäuscht, verstehe ich keinen Spaß.«
    »Wir brauchen etwas zu s chreiben. Und ich brauche außerdem eine Flasche Rotwein. Nein, zwei. Sie können sicherlich beides liefern.«
    Anstatt zu antworten, warf George Bess einen Blick zu. Sie verstand und verließ den Raum.
    »Eine Frage habe ich noch an Sie«, sagte Michael.
    »Ich höre?!«
    »Wie groß ist euer Club, wie viele von euch gibt es?«
    »Der Kreis ist überschaubar.«
    »Ich frage mich, wie Sie mit einer solchen Last leben können«, sagte Joachim. »Sie rauben Kindern das Leben und stürzen ganze Familien ins Unglück.«
    Michael zischte auf Deutsch: »Keine moralischen Grundsatzgespräche!«
    Bess kehrte zurück, in den Händen zwei Gläser und zwei geöffnete Weinflachen, unter dem Arm einen Schreibblock, an den zwei Kugelschreiber geklemmt waren. Sie stellte alles auf den Schrein und reichte Michael den Block. Er lächelte sie an. Sie reagierte nicht.
    »Eine Stunde und keine Sekunde länger«, sagte George. »Wir lassen Sie nun allein.« Mit diesen Worten verließen er und Bess den Raum.
    Michael schaute auf seine Uhr.
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