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Mit Herrn Lämmlein ist was los

Mit Herrn Lämmlein ist was los

Titel: Mit Herrn Lämmlein ist was los
Autoren: Tilde Michels
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hellichten Tag mit dem Geldsack durch die
Straßen spazieren lassen.“
    Als es dunkel war, verließ Herr
Lämmlein mit einem Koffer das Haus. An jeder Straßenecke schaute er vorsichtig
nach allen Seiten. Zweimal mußte er in Mauern Zuflucht nehmen, weil
Polizeistreifen daherkamen. Endlich stand er vor dem Bankhaus. Es war niemand
auf der Straße, und Lämmlein schlüpfte ungesehen durch die Mauer.
    Die Portierloge war leer, aber Herr
Lämmlein sagte trotzdem höflich „Guten Abend“. Aus Gewohnheit, und weil es ihm
wohl tat, wenigstens seine eigene Stimme zu hören. Auch die Schalterhalle war
leer. Die Glaswände schimmerten matt im Mondlicht. Lämmleins Schritte hallten
in der Stille. Es war recht unheimlich, und Lämmlein ging die letzte Strecke
bis zur Stahlkammer auf Zehenspitzen.
    Im Vorraum, wo er tags zuvor gewartet
hatte, öffnete er den Koffer und nahm den Geldsack heraus. Dann holte er tief
Luft und ging durch die Wand in die Stahlkammer, um den Sack an seinen Platz zu
legen.
    Aber dazu kam er gar nicht. Als er in
der Stahlkammer aus der Wand heraustrat, sah er zwei Revolver auf sich
gerichtet. „Hände hoch!“ schallte es ihm rauh entgegen.
    Herr Lämmlein erschrak fürchterlich. Er
ließ den Geldsack fallen und hielt gehorsam die Hände hoch. Zwei Männer kamen
mit langen Schritten auf ihn zu, legten ihm die Hände zusammen und fesselten
ihn ohne Umschweife.
    Er hätte natürlich fliehen können —
aber was hätte das genützt? Er war erkannt, und man hätte ihn gesucht und
sofort wieder verhaftet.
    „Ich bringe das Geld doch wieder
zurück. Hier ist es“, sagte Lämmlein und deutete mit seinen gefesselten Händen
auf den Geldsack, der am Boden lag.
    „Das kannst Du morgen dem Richter
sagen, Freundchen. Uns geht das nichts an“, sagte der eine Mann, „wir haben
hier nur Wache zu halten.“
    „Wie bist Du überhaupt hier
eingedrungen?“ fragte der andere.
    „Es sah ja fast aus, als wärst Du durch
die Wand gekommen.“
    „Das werde ich auch lieber morgen dem
Richter sagen“, antwortete Lämmlein.
    „Na, hoffentlich verläßt Dich morgen
Dein Mundwerk nicht“, sagte der Wachmann. „Los jetzt, ab ins Gefängnis.“

Lämmlein bricht aus
     
    „Zelle 322“, sagte der Gefängniswärter,
als Herr Lämmlein mit den beiden Wachmännern im großen Stadtgefängnis eintraf.
    Das Eisentor schlug zu, und Herr
Lämmlein wurde durch endlose Gänge zu seiner Zelle geführt.
    Da saß er dann auf der Holzpritsche und
dachte immerzu an Theo, der zu Hause auf ihn wartete. Wenn er ihm nur eine
Nachricht geben könnte! Sollte er einfach ausbrechen? Mal schnell nach Hause
laufen und dann wiederkommen? Das merkte doch niemand.
    Herr Lämmlein steckte vorsichtig seinen
Kopf durch die Wand. Auf dem langen Flur marschierte ein Gefängniswärter auf
und ab. Als der Wärter sich umdrehte, zog Lämmlein schnell seinen Kopf wieder
zurück.
    Durch den Flur konnte er also nicht. Da
waren überall Aufseher. Er machte einen zweiten Versuch und steckte seinen Kopf
durch die eine Seitenwand der Zelle. Da sah er einen anderen Gefangenen, der
auf der Pritsche lag und schnarchte. Diese Richtung einzuschlagen, hatte auch
keinen Zweck.

    Jetzt blieb nur noch die Außenmauer.
Durch das vergitterte Fenster konnte er nicht schauen. Also schob er den Kopf
durch die Mauer in die Nachtluft. Da wurde es ihm aber sofort schrecklich
schwindlig. Er befand sich nämlich im dritten Stock des Gefängnisses und
blickte an der geraden Mauer hinab in die Tiefe. Wie sollte er da hinunter
kommen! Er machte erst mal die Augen zu, und als es ihm nicht mehr so
schwindlig war, machte er sie wieder auf.
    Neben seinem Fenster lief die
Regenrinne hinunter bis auf die Straße. Daran mußte er hinunter!
    Lämmlein war sein Leben lang ein
schlechter Turner gewesen. Besonders am Reck und an den Stangen hatte er immer
versagt. Jetzt wünschte er sehr, sportlich zu sein.
    „Sportlich oder nicht, ich muß zu Theo!“
sagte er entschlossen und legte die Hand auf sein heftig klopfendes Herz. Dann
streckte er einen Arm hinaus, tastete zum Regenrohr, bis er Halt fand, schob
erst das rechte, dann das linke Bein nach, und als er das Rohr umklammert
hielt, rutschte er in schneller Fahrt daran hinunter.
    Seine Hände waren etwas zerschunden und
die Hosenbeine zerrissen, aber was machte das — er war unten gelandet.
    Als er zu Hause ankam, war es
Mitternacht. Specht und Arthur waren bei Theo geblieben, um mit ihm auf den Boß
zu warten. Alle drei saßen um den
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