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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei
Autoren: C.J. Cherryh
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ERSTES KAPITEL
    Er saß in einem Zimmer, in dem der Sand synthetisch war und in Opalfärbungen glänzte und sich fein und leicht unter seinen nackten Füßen anfühlte. Die Fenster boten keinen Ausblick auf die Stadt, sondern ein fortwährend rotierendes Panorama der Khogghut-Ebene. Es war eine Lüge. Verkehrslärm drang herein.
    Sein Name war Duun. Vollständig hieß er Dana Duun Shtoni no Lughn. Aber Duun reichte für den alltäglichen Gebrauch. Die Leute hatten noch weitere Bezeichnungen für ihn: Sey, was General bedeutete, und Mingi, was Lord hieß. Oder etwas sehr Ähnliches. Shonunin auf der ganzen Welt wußten das und kannten Duun; und als es an der Tür läutete und sie hereinkamen, um ihm das Alien zu bringen, wollten ihn die Träger des Behältnisses nicht anblicken, nicht nur wegen der Narben, die ein Shonun sehen konnte, der bleichen kahlen Narben, die sich auf seinem halben Gesicht durch das Fell zogen und wie die Äste eines vom Blitz getroffenen Baumes wirkten, der Narben, die sein rechtes Ohr verzerrten und seinen Mund zu permanenter Ironie verzogen hielten, die ein Auge umgaben, das aus der Verwüstung hervor starrte.
    Er war Duun von Shanoen. Er streckte die Hände aus, von denen eine so entstellt war wie sein Gesicht, und nahm das geschlossene Behältnis entgegen, das sie ihm reichten, und er stellte dabei fest, wie sie die Ohren nach hinten legten und sich voller Entsetzen von ihm abwandten - keineswegs aufgrund dessen, was sie sahen, denn sie waren Meds und hatten schon vorher Entstellungen gesehen. Es lag an der Kraft in Duun, die sie auf ihren Gesichtern spürten wie einen starken Wind, wie große Hitze.
    Aber seine Hände waren ganz sanft, als sie ihnen das Behältnis abnahmen.
    Die Meds gingen wieder, und vor lauter Schrecken vergaßen sie jede Höflichkeit.
    Duun bedeutete der Tür mit einem Wink, sich zu schließen, und legte das Behältnis auf die Erhebung, die ihm als Tisch diente, öffnete es und nahm das kleine, eingewickelte Wesen daraus hervor.
     
    Shonunin wurden nackt geboren, hatten jedoch einen silbrigen Flaum, der sich schnell zu dichten Flecken entwickelte und dann zu dem grauen Körperfell, das nur auf den Gliedern, der Brust und dem Kamm schwarz war. Duun hielt die Kreatur auf den Wickeln, die er von ihr entfernt hatte, auf seinen Knien. Die flaumfreie Haut des Wesens war nackt und rosig, ganz so, als wäre es kürzlich gehäutet worden. Eine Ausnahme bildete nur ein seltsamer, dichter Haarwald auf dem Schädel. Die weichen Glieder zuckten hilflos. Die Augen waren geschlossen, und sie lagen in einem flachen Gesicht, das dem eines Shonun nicht unähnlich war. Zwischen den Beinen hatte das Wesen ein ungewöhnlich großes Organ von merkwürdiger Form und (wie sie gesagt hatten) mehrfacher Funktion. Der Mund arbeitete ruhelos und verzerrte dabei das kleine Gesicht. Und Duun berührte das Wesen mit seinen empfindlichen Fingerkuppen, mit den vier Fingern seiner linken Hand und den zweien an seiner verstümmelten rechten, und so erforschte er das warme, glatte Gefühl des bandagierten Bauches, der Brust, der Glieder. Nur mit der Spitze einer Kralle zog er sanft die Unterlippe des Wesens herunter, um den Mund zu inspizieren -und fand darin nur Zahnfleisch ohne Zähne, denn es war ein Säugetier. Mit derselben Kralle hob er das Lid eines schlafenden Auges an; es war milchig weiß mit blauem Zentrum, und es war ruhelos in seinen natürlichen Bewegungen. Duun berührte die Windungen der steifen, kleinen Ohren; erforschte das sichtbare Organ und provozierte damit eine Reaktion; also war es empfindlich. Wie interessant. Er untersuchte die fetten, krallenlosen Füße, jeder ein geschlossener Ballen bis zu den Zehen. Er faltete mit vorsichtigem Griff eines einzelnen krallenbewehrten Fingers eine fünffingrige Hand auseinander, und die winzige Faust schloß sich hartnäckig wieder. Das Wesen wedelte mit den Gliedern. Flüssigkeit schoß aus dem Organ hervor und benetzte Duuns Kleider.
    Jeder Shonun wäre bei diesem Anblick zusammengezuckt. Aber Duun wickelte den Säugling wieder ein und wischte sich mit grenzenloser Geduld ab. So. Auch Shonun-Babies brachten solche Obszönitäten fertig, wenn auch weniger auffällig. Das Wesen stieß Schreie aus, weich und schwach, inhaltslos wie alle Säuglingsschreie. Es kämpfte mit weniger Kraft, als Duuns eigene Kinder gezeigt hatten.
    Er wußte, wie es später aussehen würde, wenn es ausgewachsen war. Er kannte sein Gesicht. Er kannte jeden Aspekt
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