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Mit Herrn Lämmlein ist was los

Mit Herrn Lämmlein ist was los

Titel: Mit Herrn Lämmlein ist was los
Autoren: Tilde Michels
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Tisch herum, hatten den Kopf in die Hände
gelegt und schauten ganz mutlos drein.
    „ Papu !
Endlich!“ rief Theo. „Wir hatten schon solche Angst. Wo kommst Du denn her?“
    „Aus dem Gefängnis.“
    „Aus dem Gefängnis?“
    „Ja, Jungs, die Sache ist schief
gegangen. In der Stahlkammer haben mich zwei Mann Wache mit vorgehaltenen
Revolvern empfangen und gleich verhaftet. Morgen komme ich vor den Richter. Und
jetzt muß ich wieder zurück ins Gefängnis.“
    „Dämliche Kiste“, sagte Specht.
    Theo mußte sich sehr zusammennehmen, um
nicht zu heulen wie ein Mädchen.
    „Da pauken wir Sie raus, Boß“, sagte
Arthur mit Überzeugung.
    Herr Lämmlein legte ihm die Hand auf
die Schulter.
    „Wir müssen halt sagen, wie es war. Ich
weiß nur noch nicht, wie ich es denen beibringe, daß ich durch Wände gehen
kann. Kopf hoch, Theo! Wird schon gut werden! Also, bis morgen, Jungs.“
    Er nahm noch schnell ein Sofakissen
unter den Arm für sein Nachtlager auf der Holzpritsche, dann ging er.
    Erst als er vor dem Gefängnis stand,
wurde ihm klar, daß er an der geraden Fassade ja gar nicht mehr hochklettern
konnte. Runterrutschen am Regenrohr, das war was anderes. Aber hinauf! Es blieb
ihm nichts anderes übrig, als am Eingangstor zu läuten.
    Der Pförtner schaute aus einem
vergitterten Fenster heraus.
    „Was wollen denn Sie mitten in der
Nacht?“ fragte er und zog verärgert an einem Zigarrenstummel.
    „Ich bin der Häftling von Zelle 322.
Ich möchte bitte wieder in meine Zelle.“
    Dem Pförtner fiel der Zigarrenstummel
aus dem Mund.
    „Wie war das? Sagen Sie das nochmal !“
    Und Herr Lämmlein wiederholte
nachsichtig:
    „Ich bin der Häftling von Zelle 322.
Ich möchte wieder in meine Zelle.“
    „Sie!“ sagte der Pförtner, und er
atmete schwer dabei.
    „Wir sind kein Hotel mit Empfangschef.
Wir sind das Stadtgefängnis. Ich habe schon viele hier reingehen sehen, aber
noch keinen, der freiwillig gekommen ist.“
    „Dann bin ich eben der erste“,
erwiderte Lämmlein.
    „Und Sie wollen mir erzählen, daß Sie
ausgebrochen sind? Etwa um Ihr Sofakissen zu holen?“
    „So ist es. Sie brauchen ja nur
nachzusehen, ob ich in meiner Zelle bin. 322, ich sagte es schon.“
    „Na gut, ich werde nachschauen. Warten
Sie“, sagte der Pförtner und schlurfte mit rasselndem Schlüsselbund langsam
davon.
    Zurück zur Pforte schlurfte er nicht
mehr. Zurück rannte er, daß die Schlüssel tanzten.
    Er atmete auf, als Lämmlein mit seinem
Sofakissen unterm Arm noch dastand.
    „Kommen Sie rein, Mann, schnell!“ rief
der Pförtner und schloß das Tor auf.
    Lämmlein trat bescheiden ein und ließ
sich zum zweiten Mal zu seiner Zelle führen.
    „Hören Sie“, sagte der Pförtner, „ich
werde keine Meldung machen. Damit hätten wir mehr Schererei, als die Sache wert
ist. Sie sind wieder da und damit basta!“
    „Jawohl, basta!“ sagte Lämmlein, schob
sich das Sofakissen unter den Kopf und schlief erschöpft ein.

Mondschein
     
    Im Morgengrauen schreckte Lämmlein auf.
Das Schloß rasselte und die Tür ging auf.
    „So“, sagte der Wärter, „hier kommt ein
Zellengenosse.“
    Damit schob er einen Mann durch die Tür
und schloß wieder ab. Der Ankömmling, ein Riese mit einem sonnenbraunen Gesicht
und einem grauen, zerzausten Bart, nickte kurz, dann ging er auf das zweite
Lager zu, setzte sich ächzend nieder und begann seine Schuhe auszuziehen.
    Lämmlein schaute beklommen auf den
Fremden, der in einem schmutzigen, zerrissenen Umhang dasaß und langsam die
Bindfäden löste, mit denen seine Stiefel zusammengeschnürt waren. Als der Mann
seine riesigen Füße aus den Stiefeln herausgeschält hatte, rieb er sie
zärtlich, knurrte und stöhnte noch ein paarmal und
sagte dann:
    „Das hätten wir! Sind auch lange genug
getippelt, die Füßchen. — übrigens, Mondschein, Landstreicher und Vagabund.“
    Dabei schaute er Lämmlein zum ersten
Mal an mit strahlend hellen Augen. Lämmlein fühlte sich plötzlich sehr
angezogen.
    „Angenehm“, sagte er. „Mein Name ist
Lämmlein, Buchhalter und... und... sonst nichts — nur Buchhalter.“
    „Und weshalb bist du hier?“
    „Bankraub.“
    Mondschein sah Lämmlein durchdringend
an.
    „Das ist doch nicht dein Ernst. So wie
du sieht kein Bankräuber aus. Das erzählst du mir nicht.“
    „Na ja, ganz echt war es auch nicht“,
sagte Lämmlein. Es klang beinahe wie eine Entschuldigung.
    Und dann erzählte er Mondschein seine
ganze Geschichte. Von dem Unfall, von Theo,
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