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Mit Herrn Lämmlein ist was los

Mit Herrn Lämmlein ist was los

Titel: Mit Herrn Lämmlein ist was los
Autoren: Tilde Michels
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es“, bestätigte Lämmlein.
    „Ich möchte dazu die beiden Zeugen
hören, die in der Stahlkammer Wache hatten, als Lämmlein den Sack zurückbrachte.“
    Die Wachmänner traten vor.
    „Das ist ein Halunke, Herr Vorsitzender“,
sagte der erste. „Der wollte noch mehr stehlen und hat nur den Sack
mitgebracht, damit er eine Ausrede hat.“
    „War in der Stahlkammer irgendwo ein
Durchschlupf oder eine verdächtige Stelle?“
    „Nein.“
    „Haben Sie das Schnappen eines
Türschlosses gehört?“
    „Nein, der Mann stand plötzlich da wie
aus der Wand gezaubert.“
    „Danke, das genügt“, sagte der Richter,
dann wandte er sich wieder an Lämmlein.
    „So, und nun verraten Sie uns Ihren
Trick. Wie sind Sie in die Stahlkammer eingebrochen?“
    „Ich bin durch die Wand gegangen.“
    „Hören Sie doch mit diesem Unsinn auf!“
rief der Richter ärgerlich. „Solche Geschichten können Sie am Biertisch
erzählen, aber nicht vor Gericht. Sie verschlimmern nur Ihre Lage, wenn Sie
nicht die Wahrheit sprechen.“
    „Aber es ist die Wahrheit.“
    „So! Die Wahrheit“, sagte der Richter
wütend, denn er glaubte Lämmlein kein Wort. „Na, dann zeigen Sie uns mal, was
Sie können. Hier sind überall Wände, durch die Sie marschieren können.“
    „Jawohl! Vormachen!“ riefen die Leute
von den Zuschauerbänken.
    „Ich kann’s nicht mehr“, sagte Lämmlein
leise, und es war ihm sehr bang zumute.
    Es entstand eine bedrohliche Stille.
Aber dann schlug der Richter mit der Faust auf den Tisch, daß die Glocke
schepperte, und die Zuschauer tobten auf ihren Bänken.
    „Stromer!“
    „Spitzbub!“
    „An den Galgen mit ihm!“
    „Ruhe!“ rief der Richter und klingelte
wild mit der Glocke. „Ruhe! Sonst lasse ich die Zuschauerplätze räumen.“
    Dann sagte er zu Lämmlein:
    „Angeklagter, ich warne Sie, führen Sie
uns nicht an der Nase herum. Sie behaupten also, vor acht Tagen konnten Sie
noch durch die Wand gehen, und heute können Sie’s nicht mehr.“
    „Ja.“
    „ Haben Sie Zeugen dafür, daß Sie diese
unglaubwürdige Fähigkeit besessen haben?“
    „Ja, meinen Pflegesohn Theo und die
Hausmeisterin Wuttke.“
    „Schaffen Sie sofort diese beiden Zeugen
her“, sagte der Richter zu einem Polizisten. „Wir legen eine kurze Pause ein.“
    Nach einer Weile wuchtete die
Hausmeisterin Wuttke in den Gerichtssaal mit hochrotem Kopf und aufgekrempelten
Ärmeln, so wie man sie von der Arbeit geholt hatte. Dann kam Theo, und mit ihm
drängten sich der Edi , Arthur, Specht und Pimmel
herein.
    „ Wieviel Pflegesöhne haben Sie denn?“ fragte der Richter.
    „Einen“, antwortete Lämmlein.
    „Aber wir gehören dazu“, sagten die
Buben. „Wir wollen alles aufklären.“
    „Das ist gut“, sagte der Richter, „Aufklärung
brauchen wir dringend. Dann setzt euch mal her. Sie sind also Frau Wuttke.“
    „Jawohl, Hausmeisterin Wuttke, und eins
sage ich Ihnen gleich, Herr Richter, der Herr Lämmlein ist ein hochanständiger
Mensch, der hat noch niemand nichts zuleide getan.“
    „Schon gut, schon gut“, besänftigte der
Richter die Hausmeisterin. „Wir wollen von Ihnen nur wissen: haben Sie gesehen,
wie Herr Lämmlein durch die Wand gegangen ist?“
    „Ne, ne, Herr Richter, von mir erfahren
Sie nichts. Ich hab’s versprochen.“
    Lämmlein zuckte zusammen, als er das
hörte.
    „Um Himmels Willen, Frau Wuttke“, sagte
er, „sagen Sie bloß die Wahrheit.“
    „Na gut, wenn’s der Herr Lämmlein will.
Also, ich hab's gesehen. Auf dem obersten Treppenabsatz im zweiten Stock hab
ich gestanden und einen Schrubber hatte ich in der Hand, da kam der Herr
Lämmlein geradewegs aus der Wand in das Treppenhaus.“
    „Und Sie täuschen sich da nicht?“
    „Ich mich täuschen? Sie, Herr Richter,
wenn Sie mich beleidigen, gehe ich wieder. Ich bin Hausmeisterin, und wenn ich
hinschaue, dann schaue ich genau hin. Und außerdem hatte der Herr Lämmlein
seine Schlüssel in der Wohnung vergessen. Da mußte er nochmal durch die Wand und sie holen.“
    „Sehr interessant“, sagte der Richter
und schaute den Herrn Staatsanwalt an und die Schöffen. Aber die machten
ratlose Gesichter.
    „Vielen Dank, Frau Wuttke. Sie können
sich setzen. — So, und jetzt komm Du mal her, Theo.“
    Theo trat vor und machte eine
Verbeugung, aber seine Hosenbeine schlackerten ein bißchen. Daran konnte man
sehen, daß ihm die Kniee zitterten.
    „Du hast also auch gesehen, wie Dein
Pflegevater durch die Wand gegangen ist?“
    „Ja, ich habe es
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