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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
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anderen schuld. Priebke wirkt fahrig, fast konfus. Hans sagt, so seien viele Kinder der Nazis aus Bariloche: ein Ergebnis der strengen Erziehung. Priebke junior hebt den Zeigefinger – er möchte mich über den Holocaust aufklären.
    «Wissen Sie, ich finde, sechs Millionen Juden sind ein bisschen zu viel.»
    «Wie viel würden Sie denn   …?»
    «Na, überleg mal. Wie kannst du sechs Millionen Leichen unterbringen? Geh mal hin und verbrenne sechs Millionen Juden. Allein der Gestank! Und niemand hat was gesehen, offiziell hat niemand was gesehen. Die Juden sagen, dass es sechs Millionen sind. Aber eins wundert mich: Warum sechs Millionen rund? Kann es nicht ein bisschen weniger gewesen sein, ein bisschen mehr? Aber nein: sechs Millionen rund.»
    «Sie glauben nicht daran?»
    «No!»
    Übrigens: «Don Erico», Priebke senior, ist heute 97   Jahre alt und steht unter Hausarrest in Rom. Es heißt, er bekomme jeden Tag einen Stapel Briefe aus aller Welt und seine italienischen Wachen würden vor ihm salutieren. Man nennt ihn «El Ultimo» – den letzten Nazi. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute.

KAPITEL 22
«SIND ALLE LATINOS MACHOS?»
    HEULSUSEN
    Ein Mann ist ein Mann. Aber zwei Männer können manchmal erstaunlich hilflos sein. Ich weiß nicht mehr, wann wir heute Nacht Richtung Buenos Aires abgeflogen sind. Auch Thomas kann sich nicht erinnern. Jetzt torkeln wir aus der Empfangshalle, fragen uns, wer wir sind, woher wir kommen und wohin genau wir wollen. Vielleicht sind wir einfach schon zu lange unterwegs. In solchen Momenten begegnest du deinem Schutzengel. Oder dem Teufel höchstpersönlich.
    «Braucht ihr ein Taxi?»
    Natürlich brauchen wir eins und schlurfen dem grauen Herrn mit der Kutscherweste bereitwillig hinterher. Endlich ein Mann, der einen Plan hat. Er ist etwa zwei Meter groß, kräftig gebaut, und wie bei vielen Menschen dieser Statur macht sein Rücken einen leichten Buckel. Außerdem zieht er das rechte Bein ein wenig nach. Der humpelnde Riese bittet um etwas Geduld und telefoniert. Dabei fällt mir das schwarzgelbe Plastikschild auf, das er um den Hals trägt: «Taxi» steht darauf.
    Doch noch immer ist kein Taxi in Sicht. «Es dauert nur noch zwei Minuten», sagt der Mann, fragt, aus welchem Land wir kommen, und fängt an, über Bayern München zu reden. Dann biegt ein silberner Mittelklassewagen älteren Baujahrs um die Ecke.
    «Da ist das Taxi!»
    «Das ist kein Taxi!», sage ich. Ich kann weder ein Schildauf dem Autodach noch eine Nummer an der Seite erkennen.
    «Das ist ein privates Taxi. Ist hier in Buenos Aires ganz normal.»
    Wie auch immer. Wir vertrauen dem grauen Riesen, laden unser Gepäck in den Kofferraum und steigen ein. Der Fahrer ist ein drahtiger Kerl mit Dreitagebart und gegeltem Haar. Er sagt keinen Ton und bleibt die ganze Zeit über regungslos am Steuer sitzen. Plötzlich öffnet sich die Beifahrertür, und der graue Zweimetermann mit dem Taxischild steigt ein.
    «Sie kommen mit uns?»
    «Ja, der Fahrer ist neu. Ich bin sein Supervisor.»
    Zwei Taxifahrer in einem Taxi. Ich habe ein komisches Gefühl im Magen. Thomas scheint es ähnlich zu gehen, er zuckt mit den Schultern.
    Wir fahren los. Der graue Riese bemerkt unsere Sorgen, beugt sich nach hinten und verwickelt uns in ein Gespräch. Ob wir zum ersten Mal in Argentinien seien. Ob wir schon Geld gewechselt hätten und wenn ja: wie viel. Was eigentlich die Kamera gekostet hätte, die wir in den Kofferraum geladen haben. Und ob uns klar sei, dass zu dem vereinbarten Fahrpreis noch die Gebühren aller Mautstellen in Buenos Aires und Umgebung hinzukämen.
    Bei Thomas fällt der Groschen am schnellsten, so laut, dass ich ihn hören kann. An der ersten Mautstation springt mein Kameramann aus dem Wagen, und ich hechte ihm hinterher.
    «Ich habe keine Lust, von euch ausgeraubt zu werden», schreit Thomas und schlägt auf das Wagendach. «Den Kofferraum auf! Sofort!»
    Das angebliche Taxi macht einen ordentlichen Satz nachvorn, doch glücklicherweise bleibt die Schranke der Mautstelle geschlossen. Drei bewaffnete Sicherheitsleute eilen herbei und plötzlich auch die Polizei. Sie lassen dem grauen Riesen und seinem Komplizen keine Wahl. Die beiden steigen aus dem Wagen und öffnen murrend die Hecktür. Endlich. Gott sei Dank.
    Aber was sind wir nur für Idioten: Da reisen wir monatelang um die ganze Welt, von Nordkorea bis Nairobbery, von Texas bis zum Titicacasee. Und ausgerechnet in Buenos Aires, der
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