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Sweetgrass - das Herz der Erde

Sweetgrass - das Herz der Erde

Titel: Sweetgrass - das Herz der Erde
Autoren: Mary Alice Monroe
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1. KAPITEL
    “B is vor nicht allzu langer Zeit hat sich an der Küstenregion mit ihren Inseln, Sümpfen, ruhigen Bächen und von Eichen gesäumten Straßen kaum etwas gewandelt – in letzter Zeit aber gehören Veränderungen zur Tagesordnung, oft grundlegend und nicht immer zum Besseren.”
    (National Trust for Historic Preservation)
    Im März kann das Wetter im Lowcountry von South Carolina ausgesprochen launisch sein. An einem Tag ist es mild, die Luft voller süßer Gerüche, und es zaubert ein vorsichtiges Lächeln auf die Gesichter der Hoffnungsvollen, die schon von kühlen kräftigen Drinks an schwülen Nachmittagen träumen, von cremeweißen Magnolienblüten und einer würzigen Brise, die vom Meer herüberweht. Und dann schlägt es plötzlich und über Nacht um. Auf einmal kommt Kaltluft heran, und der Winter streckt seine eisigen Fühler aus und legt einen Nebelschleier über die grauen Sümpfe.
    Mama June Blakely hatte auf einen zeitigen Frühling gehofft, aber sie war erfahren genug, um immer ein Auge auf den Himmel zu haben, damit sie dunkle Wolken rechtzeitig ausmachte. Ein träger Dunst lag auf dem Wasser, so dick, dass Mama June Blakely’s Bluff kaum noch erkennen konnte, das wie eine finstere Klaue in den graugrünen Atlantik hineinragte. Ein trauriges Lächeln trat auf ihre Lippen, denn das Kliff war ihr schon immer wie ein passendes Sinnbild für die turbulente Geschichte ihrer Familie vorgekommen.
    Ganz oben auf dem Kliff stand ein verwittertes Haus, das der Familie seit Generationen gehörte. Über unzählige Hurrikans und Stürme war Bluff House die Familienzuflucht geblieben, auch als der Großteil des Landbesitzes der alten Familien von Charleston lange verkauft war. Jedes Mal, wenn Mama June das Haus sah, überwältigten Erinnerungen die sonst so bodenständige Frau. Und wenn der Wind so wie jetzt über die Sümpfe strich, kam ihr der Nebel vor wie Geister, die über das Gras tanzten.
    Donner grollten, dunkel und unheimlich. Sie zog den Reißverschluss ihres Sweaters weiter zu und wandte ihren Blick den tief hängenden Wolken zu. Das Wetter änderte sich schnell im Küstengebiet von South Carolina, und eine Wetterfront wie diese konnte einen plötzlichen Wolkenbruch mit sich bringen oder starke Böen. Sie wirkte immer noch beunruhigt, als sie auf dem Absatz kehrtmachte und über die gewienerten Dielen ihres Hauses lief – durch die große luftige Küche, das überfüllte Anrichtezimmer, das Speisezimmer mit funkelndem Kristall und Spiegeln, durch den Salon mit seinen alten Möbeln und dann direkt auf die vordere Veranda. Mit den Händen am Geländer beugte sie sich weit vor und blinzelte, während sie die Allee mit ihren jahrhundertealten Lebenseichen in ihrer ganzen Länge absuchte.
    Ihre Miene erhellte sich, als sie eine Gestalt mit schneeweißem Haar die Auffahrt hinaufkommen sah, einen hageren schwarzen Hund an der Seite. Mama June lehnte sich gegen die Säule der Veranda und atmete auf. Bei dem Tempo würde Preston das Haus erreichen, bevor der Sturm losbrach. Seit wie langer Zeit wartete und schaute sie eigentlich schon, wie ihr Mann von den Feldern nach Hause zurückkehrte? Du liebe Güte, konnten es wirklich bereits an die fünfzig Jahre sein?
    Preston Blakely war rein äußerlich kein großer Mann, aber seine Umgangsformen und seine Persönlichkeit machten ihn für jeden zu einer eindrucksvollen Erscheinung. Man fand, er sei beeindruckend im öffentlichen Gespräch und dickköpfig im privaten – und sie konnte dem nicht widersprechen. Sein zielstrebiger Gang hinterließ Fußstapfen auf dem sandigen Weg, seine Arme schwangen im Takt. Das hervorstehende Kinn durchschnitt den Wind wie der Mast eines Schiffes.
    Himmel, was ging in diesem Mann wohl jetzt vor?, dachte sie mit bangem Kopfschütteln.
    Als er das große weiße Haus fast erreicht hatte, schickte er den Hund mit einer Bewegung seines Zeigefingers fort. “Ab jetzt. Nach hinten, Blackjack”, befahl er, und sein Blick begegnete dem Mama Junes, als er den Kopf hob.
    “Verdammt”, grollte er lauter als der Donner, erhob den Arm und wedelte mit einer Hand voll zerknitterter Papiere in seiner Rechten. “Diesmal haben sie’s wahr gemacht.”
    Mama Junes Hand umschloss das Geländer fester, als ihr Mann die Stufen zur Veranda hinaufkam. “Was wahr gemacht?”
    “Sie haben mich beim Wickel”, schimpfte er, als er die Veranda erreicht hatte.
    “Wer denn, Liebling?”
    “Die Banken!”, wütete er weiter. “Die Steuern. Die
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