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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
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den ganzen Globus reisen!»
    «So? Dann stell mir mal ’ne Frage.»
    «Nein,
Sie
müssen
mir
eine Frage stellen!»
    Es hilft nichts. Ich will ihr den Sinn meiner Sendung noch einmal erklären. Mit 80   000   Fragen um die Welt: Jeder Mensch hat eine Frage, die ihn von klein auf beschäftigt. In den letzten Wochen sind Hunderte davon bei mir eingegangen, über Facebook, Twitter, als E-Mail , Brief, Fax oder auf selbstgepinselten Postkarten: «Wie voll sind tausend Russen?», «Kann man im Vatikan Kondome kaufen?», «Warum verschwindet alles im Bermudadreieck?», «Wie schmeckt der Zuckerhut?» und «Wie riecht der Titicacasee?». Einer wollte wissen: «Woran starb das Tote Meer?»
    Viele Zuschauer beschäftigen sich mit den großen Themen der Menschheit: «Was ist Freiheit?», «Wo endet Europa?» oder «Kommen Adam und Eva aus Afrika?». Andere fragen knallhart: «Wie stirbt es sich in Texas?», «Gibt es noch Nazis in Argentinien?» oder «Wo ist der schwarze Kontinent am schwärzesten?». Manche geben mir hintersinnige Rätsel auf: «Ist Cuba libre?», «Wer liegt vor Madagaskar?», «Ist Holland in Not?», «Wo liegt eigentlich Absurdistan?», «Wie schön ist Panama?» oder «Gibt es eine Sprache, die keinFutur bilden kann, und wenn ja: Können die Menschen dann an eine Zukunft denken?». All diese Fragen haben etwas gemeinsam: Sie schreien nach einer Antwort.
    Ich verspreche Frau Brunkhorst, dass ich nicht ruhen werde, bis jede dieser 80   000   Missionen erfüllt ist. Und ich mache ihr klar, dass auch sie jetzt die einmalige Chance hat, mir eine Frage zu stellen. Eine weltbewegende Frage. Ich bin die gute Fee, und Frau Brunkhorst hat einen Wunsch frei.
    Wilma legt ihr Marmeladenbrötchen aus der Hand. Sie wirkt plötzlich nervös. Für einen kurzen Moment ist die Naturgewalt sprachlos. Dann murmelt sie etwas und schleicht aus der Küche hinüber in die gute Stube. Was hat sie vor? Eine Schublade geht auf und wieder zu, und Frau Brunkhorst kehrt mit einem gefalteten Blatt Papier in der Hand zurück. Sie flüstert: «Weißt du, ich hatte mir da schon Gedanken gemacht.» Dabei presst sie das Zettelchen mit ihrer linken Hand auf den Küchentisch. Mit der rechten hält sie meine. In ihrem Blick mischen sich Zweifel und Mitleid: Sie will mir helfen, aber irgendetwas lässt sie zögern.
    «Komm, ich will es dir mal vorlesen», brummelt sie und entfaltet das Papier, auf dem jetzt Bleistiftnotizen zum Vorschein kommen. Nun weiß ich, woran mich diese Szene erinnert: ein großer Moment in der Geschichte, ein Zettel, Wilma Brunkhorst meets Günter Schabowski.
    «Also, mein Junge. Was ich immer schon mal wissen wollte: Warum ist der Neger schwarz?»
    Ich blicke etwas ratlos, doch Wilma lässt sich, wo ihre Frage endlich raus ist, nicht beirren. Im Gegenteil, sie kommt erst richtig in Fahrt.
    «Bengel, du hast doch gesagt, du willst jede Frage beantworten! Dann bitte erklär mir das mal: Wir sind weiß, derChinese ist gelb, der Indianer ist rot, und der Neger ist eben schwarz. Ja, warum ist das so?»
    Und dabei schaut sie so treuherzig und unschuldig wie ein zwei Wochen altes Robbenbaby in der Seehundstation Friedrichskoog.
    «Frau Brunkhorst, ich möchte nicht unhöflich sein, aber haben Sie vielleicht noch eine andere Frage?»
    «Ja, hier: Warum lieben sich immer mehr Männer?»
    Wieder blickt sie mich so lieb an, sie will mir doch nur helfen.
    «Mensch, das ist ’ne ganz normale Frage! Früher, da gab’s so was nicht, aber jetzt siehst du die Männer überall Hand in Hand. Und diese Knutscherei – das wird doch immer schlimmer.»
    An diesem Morgen verliest Frau Brunkhorst noch viele andere gutgemeinte Fragen. Etwa ob Franzosen wirklich so schmutzig seien, wie manche Leute im Dorf behaupten. Oder warum das Spanferkel eigentlich Spanferkel heißt: «Weiß man nicht, oder? So ein kleines Schwein. Aber schmeckt gut.»
    Es wird Zeit zu gehen. Ich bedanke mich höflich, wir stehen vor Wilmas grasgrünem Dielentor, sie zieht mich ein letztes Mal zu sich hinab, kneift mir in die Wange und bittet mich, ihr von unterwegs zu schreiben. Frau Brunkhorst bekommt nicht oft Besuch. «Tschüs, mein lieber Dennis, ich wünsch dir ’ne schöne Weltreise und sieh zu, dass du mich nicht vergisst!»
    Ein paar Tage später stelle ich meinen Film in der Redaktion vor. Ich habe die besten Szenen aus dem Hause Brunkhorst geschmackvoll kombiniert und eine Swingmusik à la James Last unterlegt, das kommt gut an. Kein Quatschen mit vollem
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