Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
Vom Netzwerk:
sehen.
    Am nächsten Nachmittag finde ich mich auf einem braunen Sofa wieder. Vor mir auf dem braunen Wohnzimmertisch stehen ein Teller mit braunem Kuchen und eine Tasse mit braunem Kaffee. Im ganzen Raum hängen braune Wandteller aus allen Regionen Deutschlands. Ich habe meine Schuhe an der Tür ausgezogen und bin freundlich, aber bestimmt gebeten worden, drinnen meine Kappe abzunehmen. Damit die Läuse atmen können, hieß es. Der Hund des Hauses, ein Deutscher Schäferhund, wollte uns eigentlich in die gute Stube folgen. Das hat er bitter bereut. Der Hausherr schrie ihn zusammen und gab ihm einen festen Tritt. Nun wimmert der Hund draußen vor der Tür. Ich nehme einen Schluck Kaffee und betrachte die holzvertäfelte Decke. Im ganzen Raum hängen kleine, selbstgebasteltedeutsche Kampfflieger aus dem Zweiten Weltkrieg. Manche haben Hakenkreuze auf ihren Tragflächen.
    «So, junger Mann, Sie kommen also von drüben?»
    «Von drüben?»
    «Na, aus Deutschland. Von wo kommen Sie denn?»
    «Ich wohne in Hamburg.»
    «Hamburg? Warten Sie, da habe ich etwas für Sie. Das werden Sie gar nicht mehr kennen.»
    Herr Schiffmeister erhebt sich aus seinem Sessel und geht Richtung Schallplattensammlung. Er sagt, er wolle mir ein paar Lieder von Hans Albers vorspielen. Glücklicherweise kann Frau Schiffmeister ihn rechtzeitig stoppen. Das ältere Ehepaar scheint sich über den unerwarteten Besuch aus der Heimat sehr zu freuen. Sie waren lange nicht mehr «drüben». Herr Schiffmeister kam in den Fünfzigern mit seinen Eltern aus dem Rheinland, seine Frau ist Deutschargentinierin.
    «Darf ich Sie beide fragen, was Sie vom Zweiten Weltkrieg halten?»
    Herr Schiffmeister setzt seine Kaffeetasse ab. Und seine Brille. Und auch sein Lächeln.
    «Junger Mann, wissen Sie überhaupt, wie der Zweite Weltkrieg begonnen hat?»
    «Ähm   … ich erinnere mich daran, dass wir Polen überfallen haben.»
    «So, das glauben Sie.»
    «Wir haben Polen nicht überfallen?»
    Herr Schiffmeister erklärt mir seine Sicht der Dinge. Der Überfall auf Polen sei eine Erfindung «des Amerikaners» und «des Juden» gewesen. Eigentlich habe Adolf Hitler nur eine Autobahn nach Danzig bauen wollen, doch dann hätte ihm «der Pole» den Krieg erklärt.
    «Ach, Polen hat uns angegriffen?»
    «So ist es.»
    «Dann war Hitler also ein Pazifist?»
    Das könne man durchaus so formulieren, sagt Herr Schiffmeister und lehnt sich wieder zurück in seinen Sessel. Jetzt legt seine Frau los. «Der Jude hat doch immer provoziert. Und er provoziert noch heute», ruft sie, und ich bin gespannt, wo das alles endet. Herr Schiffmeister sagt, ich sei durch die falsche Erziehung gegangen und würde die falschen Bücher lesen. Er drückt mir ein Papier in die Hand. Es ist der Buchkatalog eines Verlags aus Tübingen. Hier bestellen die Schiffmeisters also ihr «Wissen». Für 19,80   Euro zum Beispiel das Werk «Polen – ein Ärgernis?», etwas teurer ist «Freispruch für die Deutsche Wehrmacht» mit 29,80   Euro. Das Buch «Hitler. Revolutionär, Staatsmann oder Verbrecher?» wurde gerade runtergesetzt. Man bekommt es bereits für 9,90   Euro.
    «Das ist wirklich interessant. Sie sehen die Geschichte ganz anders als ich.»
    «Davon können Sie ausgehen, Herr Gastmann. Vielleicht sollten Sie Frau Merkel mal diesen Katalog mitbringen. Und ihrem schwulen Außenminister.»
    Ich bedanke mich für den Tipp, und die Schiffmeisters begleiten mich nach draußen. In der Einfahrt wartet Hans. «Hat der Sie hierhergeschickt?», fragt Herr Schiffmeister. «Dann sehen Sie sich bloß vor. Ich mag den Kerl nicht.»
    «Was hat Herr Schiffmeister gesagt?», fragt Hans.
    «Er mag dich nicht.»
    Hans scheint nicht sonderlich überrascht und fährt mit mir zurück ins Zentrum von Bariloche. Er sagt, er wolle mir noch etwas zeigen, und bremst vor einem unscheinbaren Gebäude mit vergitterten Fenstern. Dies sei das Haus vonErich Priebke gewesen, einem Kriegsverbrecher der SS, der Bariloche Anfang der neunziger Jahre weltweit berühmt gemacht habe.
    «Du meinst den Nazi aus den Höhlen?»
    «Genau den.»
    Priebke kam als «Otto Pape» nach Bariloche, lebte aber bald wieder unter seinem richtigen Namen und war in der deutschen Gemeinde hochangesehen. «Don Erico» betrieb eine kleine Metzgerei und wurde eines Tages sogar zum Vorsitzenden des Trägervereins der deutschen Schule gewählt. Natürlich hatte er wenig Interesse an Aufklärungsseminaren über die Verbrechen des N S-Regimes . Priebke war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher