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Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)

Titel: Ruf des Blutes 2 - Engelstränen (German Edition)
Autoren: Tanya Carpenter
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Prolog
     
    Das Plätschern von Wasser. Eine klare Quelle. Kühlendes Nass. Gleitet durch meine Finger, fließt über Steine, bricht sich am Ufer. Ein Spiel von Glocken und leisen Panflöten, als würde der Gehörnte Gott spielen. Süßes Elixier des Lebens, das meine Kehle benetzt. Ich lausche dem Klang.
    Dann die Hörner. Lautes Dröhnen. Keine Flöten mehr. Die Glocken verstummen. Rote Fäden im Bachlauf, wie ein Knäuel Würmer. Immer mehr, immer mehr. Rotes Wasser. Bitterer Geschmack, nach Kupfer, nach Blut, in der Nacht …
    Das Rauschen der Brandung mit dem Lied der Möwen dazu. Weißschäumende Gischt bricht sich am Strand, umspült meine Füße. Eine salzige Liebkosung. Schaumkronen rollen heran. Der Ozean ruft, er lockt mit dem Versprechen azurblauer Stille. Kinderlachen, Familienausflug ans Meer.
    Plötzlich kreischen die Vögel, flüchten vor der Dunkelheit. Weinende Kinder. Wo ist die Sonne? Nur brodelndes Rot rollt heran, begräbt mich, zieht mich in die Tiefe. Über mir der schwarze Himmel, und der Sand trinkt Blut …
Denn so steht geschrieben
Wenn die Flüsse derer sieben
Die das Wasser des Lebens führen
Die Reinheit der Quellen verlieren
Weil sie wandeln zu Blut
Dann verlischt der Sonne Glut
Wenn alle Quellen Blut gebären
Wird der Mond die Sonne verzehren
Das schwarze Feuer sich entfacht
Es beginnt die ewige Nacht
     
    Frankreich, 02. Oktober 1999
    Benommen wischte ich mir über die Augen. Dieser Traum. Ich träumte ihn so oft seit der Wandlung. Sah die blutigen Flüsse, das blutige Meer. Und über allem eine schwarze Sonne, die kein Licht mehr spenden wollte. Die Szenerie machte mir Angst. Ich glaubte an prophetische Träume, auch wenn sie nicht immer eins zu eins in die Realität übertragen werden konnten. Aber wiederkehrende Träume neigten dazu, eine Bedeutung für die Wirklichkeit zu haben. Und ich war eine Hexe, Visionen waren bei mir nicht ungewöhnlich.
    Armand bemerkte meine Unruhe und zog mich fester in seine Umarmung. „Scht, mon cœur. Schlaf noch ein Weilchen. Die Nacht ist noch weit.“
    Er sank sofort wieder in tiefen Schlaf, und ich befreite mich vorsichtig von ihm, um ihn nicht zu wecken. Er sah so friedlich aus, wenn er schlief. Seine markanten Gesichtszüge entspannt, das seidigschwarze Haar wie ein Schleier auf dem weißen Kopfkissen. Ich küsste seine Stirn, dann stand ich leise auf, weil ich wusste, ich würde keinen Schlaf mehr finden, geplagt von diesen Träumen und dieser schrecklichen Unruhe, die das Haus seiner Familie in mir auslöste, seit ich es betreten hatte. Mit Stolz hatte Armand mir unseren Besitz gezeigt. Es war seine feste Absicht, mir die Hälfte des Familienerbes zu überschreiben. Der Ländereien, des großen Herrenhauses, des Weingutes, der Rennpferdezucht und der Juwelen. Ich war gerührt. Und ein wenig beschämt von so viel Großzügigkeit.
    Doch das große Haus hatte eine bedrohliche, beängstigende Aura. Ich fand nur wenig Ruhe und daran waren nicht allein meine Träume schuld. Es waren die Stimmen, die von den Mauern widerhallten. Schon als Sterbliche hatte ich Kontakte zu Geistern gehabt. Jetzt durch
Das Blut
, schien diese mir angeborene Fähigkeit immer stärker zu werden. Ich kannte die Seelen nicht, die noch in diesen Mauern verweilten. Aber es waren seine Ahnen – meine Ahnen. Einige hatte ich bereits gesehen. Blasse, durchscheinende Gestalten, die über die Gänge wandelten, durch Mauern verschwanden. Einige hatten mir fragende Blicke zugeworfen oder mich angelächelt. Ihre Seelen waren fest an diesem Ort verankert, ob durch einen traumatischen Tod oder durch starke emotionale Bande. Aber alles in allem schienen sie mir nicht unglücklich zu sein, sondern eher zufrieden – aus freien Stücken verweilend und nicht vom Himmel ausgeschlossen.
    Doch es gab auch noch eine andere Energie in diesem Haus. Dunkel, neidvoll und gepeinigt. Sie schien nach mir zu rufen, immer öfter, immer lauter. Mit ihren kalten unwirklichen Fingern nach mir zu greifen, als wolle sie mich in ihre Reihen ziehen, wo ich ihrer Meinung nach hingehörte. Sie neidete mir meine unsterbliche Natur. Dieser Neid war wie Gift, das von den Wänden sickerte und in mein Bewusstsein drang, eine kaum erträgliche Qual, die mir den Schlaf raubte, mein Glück mit Armand mehr und mehr trübte.
    Ich ließ Armand in unserer geheimen Kammer tief unter dem Herrenhaus allein und durchstreifte ruhelos die unterirdischen Gewölbe. Folgte dem Ruf dieser einen Stimme, die noch keine Erlösung
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