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0496 - Das Knochenhaus

0496 - Das Knochenhaus

Titel: 0496 - Das Knochenhaus
Autoren: Jason Dark
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Manchmal fiel ein Windstoß schnappend gegen den Einsamen, wühlte sich durch das Gras, umwehte auch das alte Haus und streichelte über die Dinge, die nicht festgeklemmt waren, als wollte er sie aus einem langen Schlaf aufrütteln.
    Das merkte auch der heimliche Gast. Schon im Schatten der Haustür blieb er, geschützt durch das Vordach, stehen, schielte in die Höhe und sah ein loses Holzbrett, das von einer Seite zur anderen schwang, wenn es der Wind streichelnd umwehte.
    Er tat den nächsten Schritt. Unter seinem Gewicht bogen sich ächzend die alten Bohlen im Vorbau.
    Der Mann ging auf die Tür zu. Als dunkles Rechteck war sie in die Hauswand eingezeichnet. Sie besaß kein Fenster, war massiv und schimmerte wie die Haut eines Säuglings.
    Der Mann bückte sich, um das Schloß besser erkennen zu können. Es hob sich dunkel vom Holz der Tür ab und besaß einen sehr breiten Beschlag.
    Trotzdem gehörte es nicht zu den modernen Häusern, möglicherweise war es sogar so alt wie das Haus selbst.
    Einen Schlüssel besaß der Fremde nicht. Doch er würde auch ohne dieses Hilfsmittel eindringen können, so etwas hatte ihm noch nie Schwierigkeiten bereitet.
    Der Fremde hatte ausgesehen wie ein Mensch mit Buckel. Er war aber normal gebaut, denn der Höcker von seinem Rücken verschwand, als er die Tasche von der Schulter gleiten ließ. Er öffnete sie. Das Geräusch des Reißverschlusses ging im fernen Grummeln des Donners unter.
    Als der Fremde im Inhalt der Tasche wühlte, fand er, zwischen Tüchern und seiner Kleidung versteckt, genau das, was er suchte. Einen großen Dietrich, um das Schloß öffnen zu können. Auch einen zweiten Gegenstand hatte er aus der Tasche hervorgeholt. Es war eine Stablampe, vorn mit einer Punktleuchte versehen. Er schaltete sie ein, bewegte seine Hand, und der Lichtstreifen huschte über die Gestalt.
    Jetzt hätte ein neutraler Beobachter ihn für einen Moment sehen können, und er hätte sich gewundert.
    Dieser Mann trug nicht seine normale Kleidung, sondern einen Taucheranzug aus Neopren. Nur das unrasierte Gesicht blieb frei. Aus dem Gesicht sprang die Nase hervor wie ein schiefer, dünner Finger. Vor Jahren hatte sich der Mann das Nasenbein gebrochen. Die Stelle war nicht mehr richtig zusammengewachsen.
    Er setzte seine Taucherbrille auf, nachdem er sich die Preßluftflasche umgeschnallt hatte.
    Im Licht der Lampe betrachtete er das Schloß. Um seine Lippen huschte ein Lächeln, als er feststellte, daß es ihm keinerlei Schwierigkeiten bereiten würde, die Tür zu öffnen.
    Das war eine Sache von Sekunden.
    Sehr behutsam schob er das Instrument in die Öffnung. Er kam sich nicht vor wie ein Einbrecher, hatte auch kein schlechtes Gewissen, denn dieses Haus, in das er eindringen wollte, war schlecht genug. Es war alles schlecht an ihm. Von den Außenmauern bis hoch zum Dach stimmte nichts.
    Dieses Haus durfte nicht länger existieren. Es mußte zerstört werden, aber man konnte es nicht einfach abbrennen. Die Kraft, die in ihm wohnte, war mächtiger.
    Einige Male drehte er den Dietrich herum. Links hakte er etwas, an der rechten Seite ging es glatter.
    Er verstärkte den Druck noch, dann war es geschafft.
    Der Mann hörte das leise Schnacken, als das Schloß aufsprang, und er atmete auf. Bevor er die Klinke nach unten bewegte und die Tür aufdrückte, schaute er sich noch einmal um, weil er sich davon überzeugen wollte, daß ihm niemand gefolgt war.
    Bretteben lag das Gelände vor ihm. Eine glatte Fläche, ohne Wald und Buschwerk, dabei dunkel und manchmal, wenn der Wind seinen Atem über sie blies, wogend wie ein weites Meer.
    Es war gut so, daß ihn niemand sah. Das Durchsuchen dieses Hauses mußte er allein durchstehen.
    Vielleicht, ja vielleicht gelang es ihm sogar, das Böse zu zerstören.
    Es wäre der bisher größte Erfolg in seinem Leben gewesen. Das Haus mußte weg.
    Er tauchte hinein. Es kam ihm tatsächlich vor wie ein Eintauchen in eine andere Welt, die sich wie ein finsteres Gespinst vor seinen Augen ausbreitete.
    Bevor er die Tür schloß, zog er noch die Tasche hinein, stellte sie neben sich und lauschte dem schnappenden Geräusch nach, mit dem die Tür zufiel.
    Es war still. Auch der Wind hatte eine Pause eingelegt. Aber die Ruhe kam ihm nicht natürlich vor.
    Der Mann besaß eine Feinfühligkeit und Empfindlichkeit wie nur wenige. Er konnte nicht nur mit seinen Fingern fühlen und tasten, sondern auch mit den Sinnen.
    Dies nutzte er aus.
    In der großen Eingangsdiele
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