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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Autoren: Patrick R.Ullrich
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Worte von Schärfe, so waren sie doch mit recht ruhiger Stimme gesprochen und das ließ einen Schimmer Hoffnung in Tarinth zurück.
    »Ja, Meister Wenduul. Ich werde mich bemühen«, versicherte er ergeben und schien damit die Zustimmung Wenduuls zu finden.
    »Sicher wirst du das«, sagte der nickend, während Tasse, Löffel und Unterteller sanft auf dem Beistelltisch landeten, »und möglicherweise wirst du es darin zur wahren Meisterschaft bringen, bis du mein Alter erreichst.« Dann fuhr er fort: »Neunzig Jahre, du Rotzlöffel! Ich frage mich, wie wirst du wohl aussehen mit neunzig Jahren, sofern du dein Leben nicht lange vorher in einer zwergischen Sitzgelegenheit aushauchst, hm?«
    Tarinth zog es vor, zu schweigen, bewegte sich langsam rückwärts und schloss behutsam die Tür zu den Räumen des Erzmagiers von außen. Noch zwei Wochen Dienst als Page. Zwei Wochen noch und dann ein halbes Jahr Ruhe, dachte er hoffnungsvoll, während er mit wackligen Knien die schier endlose Wendeltreppe des Magierturms hinabstieg. Diese turnusmäßigen Dienste waren gefürchtet unter den Adepten des Wenduul und nur die wenigsten überstanden sie unbeschadet.
    Wenduul von Thule, Erzmagier des gleichnamigen Königreiches, reflektierte die Lektion, die er dem jungen Tarinth erteilt hatte und kam zu dem Schluss, sie sei nicht zu hart gewesen. Man konnte nicht vorsichtig genug sein im Umgang mit der Allmacht, beziehungsweise mit jenem Teil davon, den Araas den Magiern verlieh. Selbstkontrolle war vielleicht der wichtigste Faktor überhaupt. Wer aus Gefälligkeit zur gelebten Lüge bereit ist, verliert die Kontrolle und diesem Übel muss mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. So hatte er es immer gehalten, so hielt er es auch jetzt und würde es für den Rest seiner Zeit tun. Immer, bis auf einen einzigen Moment – und was war daraus erwachsen ...
    Den aufkommenden Schuldgefühlen wies er die ihnen zugestandene kleine und lichtlose Ecke seines Bewusstseins zu. Von seinem Balkone aus, der in lichter Höhe den Turm umspannte, konnte Wenduul Thule überblicken bis zum dreifachen Wall und weit darüber hinaus. Heute aber zog er den Blick auf die große Hafenanlage vor. Noch herrschte völlige Ruhe, bald begann die blaue Stunde. Seine Stunde. Jene Zeit zwischen Nacht und Sonnenaufgang, zweilichtig. Als würde die Welt jeden Tag aufs Neue gewirkt. Dann erwachten kreischend die Möwen, die Suche nach Fressbarem begann. Fischerboote, lange vor der Zeit hinausgefahren, kamen zurück und kräftige Hände würden Netze und Reusen leeren und den Fang den wartenden Frauen übergeben, die ihn kurz danach ebenso lautstark auf dem Markt anpreisen würden, wie ihn die Fischer in Stille eingebracht hatten. Die Nachtwächter begannen schon, in ganz Thule die Tranlampen zu löschen; und in dem einen oder anderen Haus leuchteten die Fenster golden auf. Der Sommer näherte sich seinem Ende und bald schon würden sich die Blätter färben. Für Wenduul, der sich selbst im späten Herbst seines Lebens befand, war dies eine besondere Zeit; und er hätte die Jahre, die ihm noch blieben, gern zurückgezogen in Ruhe verbracht, umgeben von all den Annehmlichkeiten, die seinem hohen Amt zukamen, dem jungen König Keleb dabei zusehend, wie dieser in seine Rolle hinein wuchs.
    Und danach? Schwere Weine und leichte Lektüre! Eine Partie Shatrah gelegentlich, mit dem jungen König Keleb, bei Würzwein, Tee und seinem geliebten Anisgebäck. Aber so wollte es wohl nicht werden. Seit geraumer Zeit spürte er etwas, das ihn beunruhigte. Nichts Greifbares, den Hauch einer Ahnung, leicht, flüchtig, ein Etwas, das sich sofort auflöste, suchte er es zu fassen. Unstet in seiner Struktur, flocht es sich in das Weltengewebe, schlich sich ein, bildete Wurzeln und Ableger – Geschwüre. Und obwohl ein klares Bild zu erschaffen ihm nicht möglich war, war er sich doch in einem Punkt absolut sicher: Es war durch und durch böse.
    Angesichts dessen wurde er sich seiner Vergänglichkeit nur zu bewusst. Wer würde dem jungen König zur Seite stehen, wenn sich die Bedrohung endlich offenbarte und er nicht mehr unter den Lebenden weilte? Oh, die Adepten des dritten Zirkels waren tüchtig. Einige wenige davon sogar begabt; und alle hatte sie ein gutes Herz. Sie waren dem thulischen Thron ergeben und ein jeder bemühte sich nach Kräften. Aber das reichte nicht. Nicht der zehnte Teil von ihnen würde je den Rang eines Meisters erreichen, gleichwohl sie hervorragende
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