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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Autoren: Patrick R.Ullrich
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anderen Kinder und erzählten davon. Meist die Mädchen, zu denen das Findelkind schnell Kontakt gefunden hatte, und weniger die Buben des Ortes, die Mädchen eher mit Argwohn betrachteten. Alles hätte seine Ordnung gehabt, nur eben, dass die Träume des Neuankömmlings die beunruhigende Eigenart hatten, in Erfüllung zu gehen.
    Als die Kuh des Holzfällers Wissert trächtig war, träumte es ihr von einem gesunden Kälbchen mit einem gescheckten Fell und ihre Freude darüber war so groß, dass sie dem Holzfäller und seiner Frau natürlich aufgeregt berichtete. Wissert war kein Mann, der umsonst zu lächeln pflegte und auch sein Weib war eine in sich gekehrte Natur. So prägte das Leben in der oft unwirtlichen Umgebung der Grenzgemarkung eben jene Leute und ließ ihnen eine harte Maske wachsen, grad so, als ob sie damit den Härten ihrer Existenz etwas Respekt einflößen könnten. Ein gesundes Kalb aber war eine gute Sache und die ehrliche Begeisterung des Kindes so ansteckend, dass selbst Wissert lachen musste und in seinem stets zur Faust geballten Gesicht ganz neue Linien erschienen. Hell leuchteten diese Risse um die Wette mit den Augen und er und seine Frau konnten nicht genug hören über das sehnlich erwartete Kälbchen, von dem ihnen das Kind immer aufs Neue berichten musste, während ihr Wisserts Frau gesüßten Malzkaffee mit Ziegenmilch vorsetzte.
    Als dann, kaum zwei Tage später, die Kuh kalbte und ein gesundes, buntscheckiges Kälbchen auf wackligen Beinen in die erwartungsvolle Runde guckte, wie eben nur ein Kälbchen gucken kann, da war das Kind selig und mit ihr der halbe Weiler. Jeder wollte ihr über den hellblonden Kopf streichen und ihre Füße berührten den Boden der Scheune an diesem Morgen kaum, derart wurde sie weitergereicht, von einem zum anderen, und ihr war fast schwindlig von den vielen lachenden Gesichtern, in die sie abwechselnd blickte. »Unser Glückskind aus dem Wald«, hatte die alte Derngard, mit ihrem zahnlosen Mund, speichelsprühend gerufen und weil sie mit allerlei Wissen um die Heilkraft der Natur, um ihre Pilze und Kräuter, Flechten und Rinden ausgestattet war, und als Baderin Njörndaals Respekt genoss, und weil die allgemeine Laune so ausgelassen und eben ausnahmsweise einmal alles gut war, stimmte man allseitig darin überein, dass mit dem Kinde auch das Glück sich im Weiler niedergelassen haben müsse.
    Nur Mors der Köhler, schien die Freude nicht zu teilen und seine dunklen Augen blickten womöglich noch dunkler als sonst aus seinem bärtigen Gesicht. Denn er hatte gesehen, wie sehr das Kalb dem Bild entsprach, dass die Kleine gemalt hatte. Jede Zeichnung, jeder Farbton des Fells stimmte überein. Langsam, aber nachdrücklich, schob sich Mors an sie heran, denn ihm war die Aufmerksamkeit, die das Kind genoss, nicht angenehm. Freundlich schlug er ein Horn von dem Bier aus, das der Ortsmeier gestiftet hatte, doch es war bitter und schal, denn der Meier sparte an den Zutaten und außerdem wollte Mors einen klaren Kopf behalten, so früh am Tage. Dann war er bei ihr und hob sie erleichtert auf seine Schulter, ganz genau so, wie er sie aus dem Wald getragen hatte und da Mors der Köhler mit Abstand der größte Mann des Weilers war, thronte das Kind stolz und sicher da oben und strahlte Ariane derart an, dass jene unweigerlich zurück lachen musste.
    Und dann geschah es. Von seiner hohen Position in Mors´ Nacken rief das Kind mit heller Stimme, in eigenartigem Singsang, der wohl auf seine immer noch mangelnde Übung im Umgang mit der Sprache zurückzuführen war, herab: »Dem Kälbchen geht es wohl, aber der Sohn des Holzfällers soll gut aufpassen. Denn er wird sich ins Bein hauen und, so ihm niemand hilft, daran sterben!«
    Ganz klar hatte sie es im Traum gesehen, und weil sie doch mit dem Kälbchen recht gehabt hatte, durfte sie den Wissertssohn doch nicht ungewarnt lassen, auch wenn er ein grober Rüpel war. Ruhig war es in diesem Augenblick um sie herum geworden und sie spürte, wie sich die Finger Mors um ihre Fesseln fester schlossen. Auch die Bewegungen der kleinen Menge waren erstorben und aller Blicke auf das Kind gerichtet, das nur langsam den Stimmungswandel erkannte. Bleiern lastete die Stille auf allen, denn die Menschen wussten um die Bedeutung von Prophezeiungen und die Furcht um Mächte, die sie nicht verstanden, saß tief.
    »Ach was«, brüllte ausgerechnet der Meier, der, in Ermangelung allgemeinen Zuspruchs, etliches seines Gebrauten in sich
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